Ein Licht im Fenster

Wenn ein Gebet ein Fenster zum Himmel ist, dann habe ich ein Licht im Fenster stehen. Seit vielen Jahren habe ich mir eine Ecke einrichten können, in der ich morgens meditiere und bete. In Bayern würde man es Herrgottswinkel nennen.

Und es ist ja nicht so, dass man morgens aufwacht und alles in Gedanken und in der Seele ist im Frieden. Im Gegenteil, vielerlei Sorgen und sogar Ängste können da hoch poppen. Und sich in Meditation und Gebet klären, gerade weil man die Aufmerksamkeit auf anderes richtet, auf einen Psalm, einen Text von Weisen oder aus der Bibel, oder sogar nur auf die Stille. Friede kehrt ein. Auch der Friede damit, dass es Widerwärtigkeiten und Schlimmeres im Leben gibt, wo keine Panik hilft, sondern nur Augenmaß und ruhiges Überlegen. Um eben überlegt zu handeln – oder genauso überlegt Dinge einfach anzunehmen.

Seit einigen Jahren hüte ich das Friedenlicht aus Bethlehem bis zu dem Zeitpunkt, wo daran zuerst das Osterfeuer und dann auch die Osterkerze entzündet wirdSo auch dieses Jahr. Es brennt als Gebet, steht im Fenster zum Himmel. Nicht andere sollen es sehen, sondern es soll mir ein Zeichen sein: Nicht (nur) für mich bete ich, sondern eben für all die, die mir da morgens einfallen. Und überhaupt jetzt all die, deren innerer und damit auch äußerer Friede gestört und ins Wanken geraten ist. Die Kerze brennt vor Gott. Denn ich möchte vertrauen: Er hört zu. Und dann lässt er sein Friedenslicht im Herzen anderer aufleuchten, bis es sozusagen zur Osterkerze wird: Menschen stehen auf und stellen sich ihrem Leben – und nehmen sich des Lebens anderer an. Damit Leben aufersteht in eine lichtere Zukunft.

Das Licht von Bethlehem in meinem „Herrgottswinkel“ brennt, auch für die, die ihr Leben hier beenden. Als Zeichen, dass ihr Leben nicht einfach ausgelöscht wird, weil da einer ist, der weiterhin an ihnen brennend interessiert ist, ihr Licht der Liebe, Lebenslicht.

Ostern werden die Kirchen geschlossen sein. Ich hüte das Licht weiterhin und werde daran dennoch die Osterkerze entzünden. Ich folge einfach dem Ratschlag des Apostel Paulus, meine Augen wandern von fettgedrucktem Vers zu fettgedrucktem Vers in der Lutherausgabe der Bibel im 12. Kapitel:

Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.
Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden.
Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann.
Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.
Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Wenn ein Gebet ein Fenster zum Himmel ist, dann ist es gut, dass das Friedenslicht mich daran erinnert.

Und dann gäbe es da noch ein Gebet, dass ich in diesem Jahr neu entdeckt habe. Es stammt von Reinhold Niebuhr, verfasst vor gut etwa 80 Jahren:

Gott,
gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Einen Tag nach dem anderen zu leben,
einen Moment nach dem anderen zu genießen.
Entbehrung als einen Weg zum Frieden zu akzeptieren,
sie anzunehmen, wie Jesus es tat:
diese sündige Welt, wie sie ist,
und nicht, wie ich sie gern hätte,
zu vertrauen, dass Du alles richtig machen wirst,
wenn ich mich Deinem Willen bedingungslos ausliefere,
sodass ich in diesem Leben ziemlich glücklich sein möge
und im nächsten Leben für immer überglücklich.
Amen.

Gott befohlen.