Der Grund aller Welten und die Weltepidemie Covid 19: (K)eine (Straf-) Aktion??? Gedanken zum Sonntag Judika „ Richte mich, Gott, nach deiner Gerechtigkeit“

Vorweg gesagt: was wir jetzt erleben, ist ein Naturereignis ist ein Naturereignis ist ein Naturereignis.

Trotzdem geistern ausgesprochen oder unausgesprochen insgeheim die Idee: Gott könnte doch, weil die Menschen…

Könnte vielleicht.

Ich frage zurück bei der biblischen Überlieferung.

Da wird die Sintflutgeschichte als globale Katastrophe erzählt.

Eine Geschichte (!!!) vom Schwur Gottes: Mein Lebensbund gilt. Nie wieder, solange die Erde sich dreht.

Übrigens geht es bei der Geschichte um die Frage: Was, wenn Gott wieder das ursprüngliche lebensfeindliche Chaos herrschen lässt, also seine Schöpfung auf den Nullpunkt resettet?

Tut er aber nicht. Schon gar nicht wegen der Menschen. Die sind nun mal, wie sie sind: Wunderbar geliebt und teuflisch schlecht drauf. 

Also sollte, wenn wir die Bibel ernst nehmen, in unserem Nachdenken über Gott und die Welt kein Platz sein für die Idee, mit Covod 19 wolle Gott die Menschen zu etwas zwingen, gar strafen.

In der Bibel finden sich, oft in den Psalmen, Aussagen, Gott möge sogenannte Sünder und Frevler strafen und Feinde des Gottes Volkes vernichte – also die Gemeinschaft der Gerechten vor weiterem Unheil bewahren. Dabei geht es durchaus für uns abschreckend handfest zu, handgreiflich massiv.

Am Bekanntesten sind wohl die 10 Ägyptischen Plagen, darunter auch Seuchen. Doch die sind nicht global, sondern gezielt. Und der Zusammenhang muss gesehen werden: Ägypten ist ein Bild für all das, was Gottes Volk knechtet und behindert, einander und Gott gerecht zu leben. Somit sind die Plagen ein Bild für das, womit Unfreiheit und Gewalt etc. beendet wird. 

Den 10 Plagen stehen dann die 10 Gebote gegenüber, und darauf kommt es an: Letztlich schickt Gott keine Plagen, sondern seine Weisheit: Wie werden Menschen Gott und einander gerecht?

Im Gefolge biblischer Erzählung, die sich über mehrere biblische Bücher und Generationen hinzieht, wird die Vorstellung von einem ANDERE, gar GLOBAL strafenden Gott abgelöst von der Vorstellung von einem Gott, der zum Zeichen seiner Liebe und Weisheit ein Volk mit seinen Weisungen begabt.

Also: Auf andere zeigen und sagen: Das habt ihr nun davon: Gilt nicht.

Dennoch wagten nach der politischen Katastrophe – Israel und Judaverschwanden von der Landkarte, aufgerieben im Streit zwischen den damaligen Großmächten – zuerst einzelne und dann immer mehr im Volk folgenden Gedanken:

Was wäre, wenn wir selbst schuld an unserem Schicksal sind?

Wenn dahinter ein Gott aller Welten steht, der uns damit ein Zeichen gesetzt hat, wie verkehrt und gottlos wir gelebt haben?

Wenn Gott dahinter steht – dann dazu, um uns zurecht zu richten. Dann sind wir nicht blindwütigem Schicksal ausgeliefert, dann haben wir eine Adresse, an die wir uns wenden können, selbstehrlich und zugleich vertrauensvoll.

Ziel ist es, umzukehren zu einer Gott und den Menschen gerechten Lebensweise: Liebe Gott mit allem, was du bist und deinen Nächsten wie dich selbst. Diese Zusammenfassung aller zukunftdienlichenGebote verdankt sich jener Zeit.

Schlom ben Chorin (ein Jude) hat es um 1950 so formuliert, und es wurde ein Lied in unserem evangelischen Gesangbuch (Nr. 237):

1. Und suchst du meine Sünde,
flieh ich von dir zu dir,
Ursprung, in den ich münde,
du fern und nah bei mir.

2. Wie ich mich wend und drehe,
geh ich von dir zu dir;
die Ferne und die Nähe
sind aufgehoben hier.

3. Von dir zu dir mein Schreiten,
mein Weg und meine Ruh,
Gericht und Gnad, die beiden
bist du – und immer du.

Hinter Menschengeschichte Gott suchen und aufsuchen – das ist kein Finger auf andere, sondern ein wahrhaft kreativer Akt eines Menschen für sich persönlich und im Dialog mit anderen, mit Glaubensgenossen, mit Volksgenossen vielleicht für eine Gruppe.

Also wäre für mich die Frage:

Was lehrt uns diese Zeit? Und hilft uns, Gottes Willen zum Leben neu wahrzunehmen, von verkehrten Lebensstilen umzukehren, neu zu lernen, was wirklich Zukunft in sich trägt? Das frage ich mich persönlich und dann natürlich möchte ich auch gerne mit anderen darüber sprechen. Aber nicht belehrend, sondern fragend, hörend, lernend.

Und hoffe: Da ist dann Gott mit dabei von der Partie. Also da, wo in diesen Tagen neu entdeckt wird, wie Solidarität aller mit allen (!!!) die Grundlage für Demokratie, Freiheit, Frieden und damit für die unbedingte Menschenwürde jedes einzelnen sind. 

Diese Solidarität auch mit der ganzen Schöpfung werden wir noch dringend brauchen, denn diese Welt soll nicht untergehen, sondern um Gottes willen zu gutem Ziel kommen.

Da sind wir also immer neu gefragt.

Fazit: Auch hier hat ein Virus als gottgeschickt, gar als Strafe, keinen Platz. Es bleibt ein Naturereignis.

Und schließlich:

Jesus heilte einmal einen von Geburt an Lahmen. Dem war unterstellt worden, seine Eltern wären große Sünder gewesen.

Jesus lehnt diese Vorstellung radikal ab. Dann sagt er etwas merkwürdiges: Der Mensch soll heil werden, damit Gottes Herrlichkeit auf Erden aufscheine.

Der Blick Jesu geht völlig in andere Richtung: Überall, wo etwas heil wird, werden Zeichen gesetzt, was der ganzen Schöpfung blühen soll: endlich gut sein. Endlich in Frieden sein. Endlich gerecht. Die Johannesapokalpyse beschreibt das drastisch: alles alte, teuflisch Dunkle vergeht, wie neugeboren: Lebenswelt und Gott mitten drin. Das ganze so dramatisch wie die Totalverwandlung einer Raupe in einen Schmetterling (das ist mein Bild).

D.h., nicht eine Seuche ist gesandt, schon gar nicht als Strafe, die dann auch Unschuldige trifft, sondern wir sind gottgesandt, um zu helfen und einander beizustehen, um der Kraft zur Heilung unter uns Raum zu geben und – auch das, um klagend und trauernd und zugleich hoffend Gestorbene in Menschenwürde zu verabschieden.

Was die Idee einer Seuche oder eines anderen Ereignisses als „Strafe“ oder Tat Gottes endgültig verbietet: 

Jesu Kreuz.

Seit Jesu Kreuz denken wir mehr oder weniger überzeugend nach, wie man dieses Geheimnis, diesen Grund einer endgültigen neuen Liebesbeziehung zwischen Gott und aller Welt am Besten in Worte fassen kann.

Ein Versuch ist:

Jesus versöhnt damit Gott mit uns. Alle „Sünde“ ist damit vergeben.

D.h. im Klartext: Es kann, wenn wir Karfreitag (beglaubigt durch Ostern) ernst nehmen, keine Rede mehr davon sein, dass Gott auf diese Weise agiert, gar straft, wen auch immer.

Ich kann Gott klagen, ich kann ihn fragen, ich kann auf ihn hoffen – und kann mich ermutigen lassen, soviel es an mir liegt und wie ich kann, Betroffenen beizustehen. Oder zulassen, dass andere mir Beistand leisten (das ist ja bisweilen auch schwer).

Und so bleibt eine Pandemie ein Naturereignis ein Naturereignis ein Naturereignis und , wie ich glaube (auch wenn ich mit der Jahreslosung oft rufe: Ich glaube, hilf meinem Unglauben): Gott richtet uns auf und her zu Mitmenschlichkeit. Immer neu. Damit wir solche schweren Zeiten besser bestehen.

Damit ein Naturereignis Raum gibt für heilere Zukunft.

Zuletzt noch ein Gedanke:

Wenn Gott diese Welt ganz und gar liebt, so dass wir sie als Schöpfung wahrnehmen, ist auch ein Virus ein Geschöpf.
Wie alles andere auch.

Und darüber muss ich jetzt erst noch ganz viel nachdenken.

Gott befohlen
Ihr
Pfr. Neugber

Ein Gedanke zu „Der Grund aller Welten und die Weltepidemie Covid 19: (K)eine (Straf-) Aktion??? Gedanken zum Sonntag Judika „ Richte mich, Gott, nach deiner Gerechtigkeit““

  1. Anonyma:

    Beim Lesen kommen mir auch ein paar Gedankensplitter:

    Ja, es ist ein Naturereignis.
    Es ist eines, das die ganze Menschheit betrifft, und nicht nur eine relativ kleine Bevölkerungsgruppe wie bei Tsunami, Vulkanausbruch oder Heuschreckenplage.
    Wir müssen erkennen, wie verletztbar unsere globilisierte Welt ist, die wir doch für so fortschrittlich hielten.
    Viele Menschen glauben ja, dass bald alle Krankheiten geheilt würden und das Lebensalter immer höher steigen könnte.
    Die Tatsache des menschengemachten Klimawandels wird noch hie und da angezweifelt, aber vor der Macht dieser Pandemie kann nun wirklich kein Mensch die Augen verschließen.
    Die Euphorie von unendlicher Gewinnmaximierung wird gebremst.
    So klein und schwach ist der Mensch !

    Mich erinnert das ein bisschen an den Turmbau zu Babel.
    Sprachverwirrung ist auch ein „Naturereignis“, weil sich die Menschen nun mal unterschiedlich entwickeln.

    Das Naturereignis bringt uns zum Nachdenken, und vielleicht steckt da dieser Ursprung von allem, Gott, dahinter.
    Und dann kommt das, was uns dieser gute Gott schenkt:
    wir können umgehen mit der Katastrophe.
    Wir wissen, wie Organismen wie Viren ticken.
    Es gibt Menschen, die fieberhaft arbeiten, um zu verstehen.
    Es gibt Menschen ( mögen sie nun Drosten, Kekulé oder Brinkmann heißen ),
    die gut erklären können und die uns von besonderen Verhaltensmustern überzeugen können.
    Es gibt Menschen, die in dieser Situation aktiv arbeiten, teils um das normale Leben nicht ganz zum Stillstand zu bringen, teils um Krankheit zu lindern und Leben zu retten. Und wir alle sind so gut vernetzt, dass wir auch im “ Elfenbeinturm“
    immer gut informiert sind.
    Das alles gab es bei Seuchen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nicht.
    Vielleicht ist es das, was wie ein göttlicher Lichtblick erscheinen kann:
    der Schöpfergott hat den Menschen mit etwas ausgestattet, das auf die Herausforderungen des Lebens reagieren kann.
    Dafür sollten wir dankbar sein.
    Und dann können wir uns freuen am grandiosen Frühlingserwachen in diesen Tagen.
    Es gibt sie noch, die schöne Natur, den Regenbogen nach der Sintflut.

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