Auf dem Weg zu Palmsonntag 2020 – Gedankensplitter zu den biblischen Texten V

Jedem Sonntag sind ein Psalm, ein Abschnitt aus den Evangelien als Evangelium zum Sonntag, ein Abschnitt aus dem Ersten Testament (früher „Altes Testament“), ein Abschnitt aus einem der neutestamentlichen Briefe und noch drei weitere Bibeltexte zugeordnet.

Es ist kein besonderer Anlass. Einfach so betrete ich ein Blumengeschäft.
Mir ist danach, meiner Frau einen schönen Strauß zu schenken.
Gewiss, gewiss, eigentlich müsste man sparen, weil die Waschmaschine in ihre Tage gekommen ist, die nächste Versicherung fällig wird und das Auto beim Fahren so komische Geräusche macht.
Ja, und eigentlich geht es vielen Menschen so schlecht. Da wäre das Geld als Spende auch gut angelegt.
Trotzdem.
Bei der Auswahl der Blumen schaue ich nicht mehr auf den Preis. Ich achte auf die Art, die Farben, den Duft.
Später wird meine Frau sagen „Du spinnst!“ – aber gefreut hat sie sich trotzdem.

Am Palmsonntag wäre Jubiläumskonfirmation gewesen. Nun ist „nur“ offene Kirche. Und mir begegnet nun einer der Predigttexte für diesen Sonntag, der wäre sogar turnusgemäß dran gewesen. Es ist einer meiner liebsten biblischen Geschichten, ich darf ihn hiermit vorstellen:

(aus dem Markusevangelium, Kapitel 14)
1 Es waren noch zwei Tage bis zum Passafest und den Tagen der Ungesäuerten Brote. …
3 Und als Jesus in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt. 4 Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? 5 Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.
6 Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. 7 Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. 8 Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis. 9 Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.

Diese Geschichte kann man sich gar nicht konkret genug vorstellen.
Jesus nimmt seine Gefolgschaft mit in das Haus eines Menschen, der (noch?) aussätzig ist – oder war? Jedenfalls nicht die erste Adresse.
Vor Jesus liegt die Grausamkeit des Karfreitags. Sein Leib wird zu Tode geschunden.
Plötzlich ist dieser von Männern und ihren klugen Reden dominierte Raum erfüllt mit reiner Zärtlichkeit im Überschwang. Eine Frau tut Jesus einfach nur gut.
Ein Duft von absichtsloser Hingabe erfüllt das Haus.

Das muss so sein. Sagt Jesus. Alles andere, die wirtschaftlichen und sozialen Geldfragen haben ihre Zeit. Und ihre absolute Berechtigung. Aber nicht jetzt.
Jetzt will Jesus es genießen.

Die Evangelisten haben das auch nicht ausgehalten. Sie legten Jesus Worte in den Mund, die das Handeln der Frau rechtfertigen sollen.
Hier: Jesus wurde Christus genannt. Durch seinen Tod am Kreuz hindurch hat Gott sich zu ihm als Erlöser bekannt. Und bei Jesu Begräbnis wurde er aus Gründen der Eile nicht vorschriftsmäßig gesalbt.
Christus heißt: Der Gesalbte Gottes. Aber bis jetzt war Jesus nicht gesalbt. Das alles ist nun hiermit nachgeholt bzw. vorgeholt.

Ich glaube jedoch: Jesus rechtfertigte die Frau einfach dadurch, dass er sich freute, dass er diese Zärtlichkeit und diesen Duft schlicht wohltuend genoss. Punkt. Denn ein Zeichen solcher Liebe braucht keine weitere Begründung.

Jesus, die Mitmenschlichkeit Gottes in Person, ist immer für andere da.
Nur selten wird erzählt, dass er sich zurückzieht zur betenden Zweisamkeit mit Gott. Auch da bleibt er nicht immer ungestört.
Nur selten wird erzählt, dass er ganz der Empfangende ist.
Nach seiner Geburt etwa: Der, der durch Mutterbrust gestillt wird und geborgen liegt in der Eltern Arme.
Bei seiner Taufe empfängt er Gottes Heiligen Geist. Der ist nun in ihm ganz zuhause.
Danach gleich ringt Jesus in der Wüste Einsamkeit mit Gott und der Welt, mit teuflischen Versuchungen und wie er seinen Weg zu gehen hat. Am Ende, heißt es, kamen Engel und dienten ihm. So auch bei der letzten Versuchung: Im Garten Gethsemane, beim letzten Gebet und Ringen: Flucht oder Annahme seines letzten Ganges? Blut und Wasser habe er dabei geschwitzt in dieser Einsamkeit (die Jünger schliefen ja).
Du wieder kam dann ein trostreicher, stärkender Engel, heißt es.
Ach ja – da bei jener nächtlicher Schifffahrt auf stürmischem See Genezareth – da empfing Jesus wohlverdienten Schlaf. Bis er geweckt wurde.
Und in dieser Geschichte: Da will er sich nicht mehr stören lassen. Da gilt das, was die Frau (und es ist so was von egal, was diese Frau sonst tat – jetzt ist sie da mit ihrer Geste) ihm wohltut.
Jesus braucht Zärtlichkeit.
Ganz Mensch.
Ganz Gott.

Das ist das Überraschende.
Wenn Jesus wirklich, wie es das Glaubensbekenntnis später formuliert,
auch ganz Gott ist – dann empfängt Gott selbst diese zärtliche Geste. Dann erscheint Gott hier als jemand, der sich darüber freut und es genießt.
Der nicht gibt, nicht immer da ist für uns, sondern der empfängt. Kein Opfer, kein Lobpreis , keine Klagen – einfach nur solche Geste.

Das Gebot „Liebe Gott über alles, mit ganzem Herzen…“ steht dadurch in neuem Licht.

Jeden Sonntag wird ein frischer Blumenstrauß auf den Altar gestellt.
Unter das Kreuz, vor das Kreuz, für Gott.
Einfach so.
Ein Zeichen menschlicher Hingabe an den Gott, der sich darüber freut.
Einfach so.
Es müssten duftende Blumen sein – zum Gedenken an diese Begebenheit: „Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.“

Wenn Sie mal wieder ihre Kirche besuchen (etwa zur Zeit der „Offenen Kirche“) oder eine andere:
Wagen Sie es.
Bringen sie eine Blume mit und legen sie diese auf den Altar.
Ja, es wird erstaunte Blicke geben, vielleicht auch den Einspruch eines Küsters (nicht unserer, der weiß es zu schätzen).
Und doch: Legen sie eine Blume hin und spüren dann nach, wie sich das anfühlt.
Gott freut sich.
Und sie vielleicht auch.

Und dann?

Dann mag die Zeit kommen, wo wieder gilt:

„Ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun.“

Ökumenischer Kreuzweg in der Zeit der Pandemie – Kurze Einführung

Getrennt begehen – im Beten vereint

Zum Freitag, den 3. April, luden wir ein zu einem ökumenischen Kreuzweg in Petterweil. Doch den aktuellen Umständen geschuldet können wir ihn so nicht begehen. Und sollten es auch nicht. Dennoch sollen das Material nicht umsonst gekauft und die Gedanken dazu nicht umsonst gemacht worden sein. Wir laden ein, diesen gemeinsamen Weg von Tag zu Tag bis Karfreitag auf diese Art zu gehen. Wir folgen den Gedanken des ökumenischen Kreuzweges der Jugend „Icon“. „Icons“ sind in der modernen Computerwelt kleine Zeichen, die man anklicken kann, um zu Informationen zu gelangen oder sonstwie den PC zu bedienen. Eigentlich aber steht englisch „Icon“ für „Ikone“. Das sind gemalte Glaubensbekenntnisse in der Bildersprache der Ostkirchen. Entlang solcher Ikonen denken wir, der Botschaft von Jesu Kreuz für unsere Lebenswirklichkeit nachzudenken.

Die Ikonen stammen von einem Ikonenkreuzweg, der in Dresden in der St.-Hubertus-Gemeinde hängt. Wer möchte, kann sich bei geeigneten Quellen zur spirituellen Tradition und künstlerischen Formensprache von Ikonen informieren. Wichtig für uns ist: Solche Bilder laden zum Verweilen ein. Man muss sie auf sich wirken lassen. Denn sie wollen etwas ins Herz des Betrachters hineinwirken lassen, was eigentlich nicht darstellbar und unbeschreiblich ist: Das Geheimnis der Liebe des einen dreifaltigen Gottes. So sind Sie eingeladen, vor allem das Bild zu betrachten. Dazu bieten wir in sehr verkürzter Form Texte und Anregungen aus dem Teilnehmerheft an. Das haben wir für Teilnehmende ja bestellt. Es liegen Exemplare aus in St. Bardo und in der Martinskirche zum Mitnehmen für die, die lieber das Heft in der Hand halten.

Mein Gott,
mit meinem ganzen Leben bin ich hier,
mit all meinen Gedanken und Gefühlen,
meiner Hoffnung und meiner Freude,
meinen Ängsten und meinen Fehlern.
Öffne meine Sinne für die Begegnung mit Jesus
und stärke meinen Verstand, um zu verstehen,
was Er damals für uns getan hat.
Herr, schenke mir ein Herz, das Deine Liebe sieht.

Amen.

Ökumenischer Kreuzweg – Freitag vor Palmsonntag

Jesus wird zum Tode verurteilt

Der Himmel leuchtet golden, denn Gott bringt sein Licht zur Welt. Der goldene Heiligenschein von Jesus: Er ist das Licht der Welt. Auch Purpur gilt als göttliche Farbe. Jesus trägt daher einen Purpurmantel. Anders Pilatus auf dem Thron: Das Rot-Braun ist das Rotbraun der mediterranen Erde – Pilatus ist rein menschlich. Obwohl Pilatus von des „göttlichen“ römischen Kaisers Gnaden auf dem Thron sitzt, ist Jesus der Verurteilte, größer.

Text zur Station (die Bibeltexte des Kreuzweges sind aus den Evangelien zusammengestellt bzw. überliefern weitere Traditionen):
Pilatus ließ Jesus herausführen und setzte sich auf den Richterstuhl an dem Platz, der Lithostrotos, auf Hebräisch Gabbata, heißt. Es war am Rüsttag des Paschafestes, ungefähr um die sechste Stunde. Pilatus fragte Jesus: Dein Volk und die Hohepriester haben dich an mich ausgeliefert. Was hast du getan?
Jesus antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege.
Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit? Zu den Juden sagte er: Da ist euer König! Sie aber schrien: Weg mit ihm, kreuzige ihn!
Pilatus aber sagte zu ihnen: Euren König soll ich kreuzigen?
Die Hohepriester antworteten: Wir haben keinen König außer dem Kaiser. Da lieferte er ihnen Jesus aus, damit er gekreuzigt würde.

Besinnung
Das Urteil. Einer schaut weg, andere sehen hin. Auf einem Thron sitzt der Richter Pilatus. Im Vordergrund sieht man Jesus in einem purpurfarbenen Gewand. Er beugt sich zu Pilatus hin, ihre Augen treffen sich. Pilatus wird Jesus verurteilen. Ein ungerechtes Urteil. Er wird ihn verurteilen müssen, weil das Volk es so will. Jesus muss es so hinnehmen. Jesus vertraut darauf, dass dahinter ein Plan ist. Gottes Plan. Er weiß, dass menschliche Macht nichts mit wahrer Stärke zu tun hat.

Wie reagierst du, wenn andere mit dem Finger auf dich zeigen?
Machst du mit, wenn alle mit dem Finger auf einen anderen zeigen?
Würdest du Nachteile in Kauf nehmen, um einem anderen Menschen zu helfen? Welche?
Gebet:
Mein Gott, wie oft bin ich alleine in meinem Leben.
Ich habe Angst. Alle sind gegen mich.
Mein Gott, steh mir bei.

Jesus, Du warst wahrhaft stark.
Gib uns die Kraft, zur Wahrheit zu stehen,
für sie einzustehen und anderen beizustehen,
wenn Unrecht geschieht und sie uns
brauchen.
Amen.

Auf dem Weg zu Palmsonntag 2020 – Gedankensplitter zu den biblischen Texten IV

Jedem Sonntag sind ein Psalm, ein Abschnitt aus den Evangelien als Evangelium zum Sonntag, ein Abschnitt aus dem Ersten Testament (früher „Altes Testament“), ein Abschnitt aus einem der neutestamentlichen Briefe und noch drei weitere Bibeltexte zugeordnet.

Weder Verlag noch Autorin haben mich aufgefordert. Ich finde es wirklich gut und möchte es weiterempfehlen:
Tina Willms: Zwischen Abschied und Anfang. Ein Begleiter durch die Passions- und Osterzeit. Andachten, Gedichte und Gebete. Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 2020
ISBN: 978-3-7615-6702-9.
Sie müssen es nicht über die üblichen großen Versandhäuser kaufen.
Sie sollten, wenn Sie es für sich als Begleitung in der kommenden Zeit haben wollen, es bei einem unserer „kleinen“ Buchläden in Karben, in Bad Vilbel, in Friedberg bestellen. Die dürfen zwar zur Zeit keine direkten Kundengeschäfte tätigen, aber indirekt schon: Per Telephon, per Email, und so weiter. Sie liefern aus oder lassen ausliefern. Damit unterstützen Sie unsere liebenswerten „kleinen“ Läden vor Ort und schaden den „Großen“ eigentlich gar nicht. Und haben selbst einen Gewinn.
Das wäre doch eine gute Übung für „die Zeit danach“, oder?

Das Evangelium für den kommenden Palmsonntag ist die Geschichte von Jesu Einzug in Jerusalem.
Dazu schreibe ich nun nichts selbst, sondern biete Ihnen an, den Bibeltext nach dem Evangelium des Johannes zu lesen und dann mit mir einen Blick in das Buch von Tina Willms zu werfen als Kostprobe vieler weiter lebensermutigender Texte.

Der Bibeltext:
Joh 12,12-19
12 Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, 13 nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel! 14 Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, wie geschrieben steht (Sacharja 9,9): 15 „Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.“ 16 Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so an ihm getan hatte.
17 Die Menge aber, die bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, bezeugte die Tat. 18 Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan. 19 Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.

Und nun aus „Zwischen Abschied und Neuanfang“, S. 11-12 und 14-15:

Jesus zieht in Jerusalem ein: Wie eine Ouvertüre, so kommt mir diese Geschichte vor. Ein Eingangsstück, in dem alles, was kommen wird, schon anklingt.
Da sind die Menschen, die ihn empfangen. Keinen roten Teppich breiten sie vor ihm aus, sondern einen Flickenteppich aus dem, was sie vorfinden. Palmzweige von den Bäumen am Wegrand. Dazu ihre Kleider, die sie am Leibe getragen haben. In ihnen stecken ihre Geschichten, ihr ganzes Leben legen sie aus vor ihm, der da kommen soll. Ihr Elend und ihre Hoffnungen, den Glanz ihres Lebens ebenso wie Schweiß und Schmutz.
Und der Soundtrack dazu? Das ist kein Triumphmarsch, der da erklingt. Nichts Herrschaftliches. Auch keine feine, reine, eindeutige Musik.
Die Menschen, sie jubeln und schreien. Ihre Sehnsucht schreien sie heraus und ihre Verzweiflung. Nicht »Halleluja« rufen sie, kein »Lobt Gott!«.
Sie schreien: »Hosianna! Hosianna!« Hilf doch! Hilf uns! So wie dein Name es sagt: Jeschua, Jesus, der Retter.
Und dann endlich kommt er. Die Rufe branden auf, die Menschen recken die Köpfe. Da, da ist er! Er, auf den wir so lange gewartet haben.
Er reitet auf einem Füllen. Seine Beine berühren den Boden fast. Und wer ihn sieht, kann es schon ahnen: Es wird nichts mit einer Machtergreifung der Art, in der einer sich selbst zum Gott macht. Der von Gott Ermächtigte wird nicht dreinschlagen, zerstören oder gar vernichten. Er wird nicht zu Felde ziehen, um sich die Erde Untertan zu machen, und wird keine Kreuzzüge ausrufen, um über Leichen zu gehen.
Der Einzug dieses Königs, der die Rettung im Namen trägt, ist geprägt von der Nähe zu denen, die auf ihn warten, die unten sind. Er sieht die Flickenteppiche an, den Glanz, die Tränen, den Dreck, und schaut denen ins Gesicht, die sie gewebt haben. Wer ihm begegnet, wird sich verändern.
Diese Ouvertüre, sie erzählt schon von der Allmacht einer Liebe, die himmlisch ist, weil sie menschlich wird. Diese Liebe, sie scheut weder Schmerz noch Schuld, weder Leid noch das Sterben. Aber sie überlässt sich dem allen nicht.
Vielmehr stattet sie das Leben aus mit einer subversiven Kraft. Die lässt Gewalt und Hass ins Leere laufen. Und überwindet am Ende sogar den Tod.

Gebet: Sich menschlich zeigen
Menschgewordener Gott,
du kennst meine Sehnsucht nach einer Schönheit,
die vollkommen ist.
Wie gern würde ich dich
schön finden
auf eine makellose Weise.
Unversehrt, wohlriechend, lächelnd und rein.
Schwer auszuhalten,
dass du diese Wünsche durchkreuzt.
Du weinst und schreist,
blutest und schwitzt.
So wie ich
in meinen schutzlosesten Momenten.
Lehr mich,
die andere Schönheit zu sehen,
die sich erweist,
wo wir uns menschlich zeigen.
Wo wir
Wunden verbinden,
Tränen abwischen,
Schmerz aushalten
und einander beistehen
in den schwersten Stunden.

Auf dem Weg zu Palmsonntag 2020 – Gedankensplitter zu den biblischen Texten III

Jedem Sonntag sind ein Psalm, ein Abschnitt aus den Evangelien als Evangelium zum Sonntag, ein Abschnitt aus dem Ersten Testament (früher „Altes Testament“), ein Abschnitt aus einem der neutestamentlichen Briefe und noch drei weitere Bibeltexte zugeordnet.

Ein Griff, und die Sucherei geht los. Ich finde sie nicht wieder. Aber ich habe die Karikatur deutlich vor Augen:
Ein Pfarrer steht vor dem Altar. Über dem Altar hängt ein Kreuz. Eigentlich ein Kruzifix (also eine Darstellung des Gekreuzigten). Doch das ist leer. Man sieht noch die Umrisse, die Löcher von den Nägeln. Aber er selbst ist verschwunden.
Und auf dem Altar liegt ein Abschiedsbrief.
Kirchenkritik? Jesus tritt aus dieser Kirche aus?
Oder Verheißung?
„Jesus geht voran auf der Lebensbahn“…
Was steht in dem Brief?
Vielleicht:
Es nutzt nichts, wenn ich als Leidender hier festhänge – ich muss dahin, wo ich gebraucht werde. Zu Leidenden, zu Sterbenden, zu den in Geflüchteten-Lagern eingepferchten, zu denen, die in elendigen Hütten hausen, zu Obdachlosen unter die Brücke.
Ich muss los zu denen, die körperlich-seelisch am Ende sind, weil sie in den Krankenhäusern ankämpfen nicht nur gegen den Tod, sondern auch gegen ein krank gespartes und gewirtschaftetes Gesundheitswesen.
Ich muss los zu denen, die ihren Dienst für die Allgemeinheit tun und dafür angefeindet werden.
Ich muss auch los zu den politisch Verantwortlichen, die zusammengebrochen sind.
Meine Bitte:
Folgt mir nach.
Denkt an mich, wo ich gerade bin.
Euer Jesus, ein Sklave der Liebe Gottes.

Dieses Bild stand mir vor innerem Auge, als ich dieser Woche erneut der Lesung aus den neutestamentlichen Briefen für Palmsonntag begegnete,
ein Abschnitt aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Philippi, wobei Paulus hier eines der ersten christlichen Glaubensbekenntnisse zitiert, eher ein Glaubenshymnus:

Phil 2,5-11
5 Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:
6 Er, der in göttlicher Gestalt war,
hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,
7 sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an,
ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
8 Er erniedrigte sich selbst
und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
9 Darum hat ihn auch Gott erhöht
und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist,
10 dass in dem Namen Jesu
sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,
11 und alle Zungen bekennen sollen,
dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Ich stelle mir vor: Diejenigen, die Jesus (wie auch immer) unmittelbar als heilsam (leibhaftig, seelisch, glaubensmäßig) erlebten, erlebten durch ihn Gott gegenwärtig. Und damit Frieden, Versöhnung, als Hoffnung: alles wird nun gut. Sie erlebten Befreiung vor der oft insgeheimen ANGST vor dem Tod und damit eine Lebenshoffnung über den Tod hinaus. Also Geborgenheit. Vertrauen. Und die Freiheit, sogar Gegner zu lieben. D.h., diese lieber zu segnen als zu verteufeln.
Ich stelle mir vor, was sie da erlebten, dafür suchten sie Worte, Bilder, um es zu beschreiben.
Und sie drückten es auch so aus: Jesus ist ein Teil Gottes selbst. Er komtm von Gott. Da aber Gott unteilbar ist, schenkt sich Gott mit Jesus selbst. ER ist zur Welt gekommen, weil er sie so sehr liebt. In Jesus begegnet Gottes ganze Mitmenschlichkeit. Und die reicht bis dahin, wo wir letzte Gottlosigkeit erleben: Im Tod, in der Qual, im letzten Schrei nach Leben und nach Erlösung.
„War gehorsam bis in den Tod“ – d.h., im Grunde hörte Gott auf sich selbst, auf sein „Herz“, das für uns schlägt (und, wie ich aus heutiger Einsicht vermute: Auch schlägt für jedwede Kreatur).
Darum wird Jesu Tod zu seiner „Erhöhung“: Im Tod das Leben. Der Tod kein Ende, sondern eine Wende. Und Jesus erhält den Titel, der in der Bibel Gott vorbehalten ist und den die römischen Kaiser für sich reklamierten: „HERR“.
Und der Herr ist der, der wirklich anderen Menschen zu dienen versteht.
Damit wird eine Glaubensaussage auch zu einer Kampfansage gegen menschliche Willkür, Anmaßung, unmenschliche Machtausübung.

Gott sei Dank!
So daher gesagt – doch es ist mehr. Es wird ein jubelndes Lied vom ganzen Leben. Ein Lied, das sogar die für uns Gestorbenen anstimmen.

Gott sei Dank!
Ich höre es aus guten Werbesprüchen, von den öffentlich Rechtlichen,
und von vielen anderen:
Wie vielen Menschen gedankt wird, die für uns ihre Haut zu Markte tragen, wie alte Redewendung sagt. Die einfach da sind, wo sie jetzt gebraucht werden.
Und ich würde gerne auch Gott sei Dank sagen für einsichtige Politiker,
die jetzt noch selbstherrlich uneinsichtig „Ihr Land First“ und damit eigentlich „Sie selbst First“ sagen und nicht verstehen, dass gerade jetzt (eigentlich schon überfällig) auch für die Länder gilt: Entweder wir alle gemeinsam oder gar nicht.
Ich sage so vielen insgeheim Dank und damit Gott sei Dank.
Auch ein Bekenntnis, das Jesus der Herr ist – der, der dient in den vielen Dienenden.
Warum muss ich jetzt an das Lied „Ich bete an die Macht der Liebe“ denken?