Predigt zum Sonntag Kantate (Präd. K. Peter)

Gebet zum Eingang

Jeden Tag neu sollst du wissen:
Da ist einer, der mich hält.
Jeden Tag neu sollst du wissen:
Da ist einer der, mich versteht.
Jeden Tag neu sollst du wissen:
Da ist einer der, mich tröstet.
Jeden Tag neu sollst du wissen:
Da ist einer der, mich liebt.
Jeden Tag neu sollst du wissen:
Da ist einer, der für mich sorgt.
Amen.

Tag für Tag trägst du die Welt und nährst sie.
Und tiefer, als wir wagen, uns vorzustellen,
bist du zugegen, wohin wir auch gehen.
Wir danken dir für deine Gegenwart,
die so verlässlich und treu ist.
Wir glauben an ein Leben aus dir,
so wie wir leben vom Brot
und wie wir hungern und dürsten
nach Frieden und Gerechtigkeit.
Amen

Der Friede Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit und allen, Amen

Liedpredigt: Geh aus mein Herz und suche Freud

Liebe Gemeinde,

„Was klassisch ist“, so der Philosoph Hans-Georg Gadamer, „was klassisch ist, das ist herausgehoben aus der Differenz der wechselnden Zeit und ihres wandelbaren Geschmacks – es ist auf eine unmittelbare Weise zugänglich.“

Kann man das Passionslied „O Haupt voll Blut und Wunden“ mit seiner ergreifenden Vertonung in Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion, oder das Weihnachtslied „Ich steh an deiner Krippen hier“ oder „Befiehl du deine Wege“ oder das Abendlied „Nun ruhen alle Wälder“ klassisch nennen? Warum haben die Lieder Paul Gerhardts die Zeiten überdauert, so dass sie uns noch heute unmittelbar zugänglich sind und durch das Kirchenjahr begleiten?

Diese Frage stellt sich um so mehr, als seine dichtenden Zeitgenossen längst vergessen sind. Paul Gerhardt’s Lieder haben bleibende Spuren hinterlassen. Er hat es verstanden, die Dichtkunst seiner Zeit, lutherische Theologie und Bilder und Sprachformen aus der mittelalterlichen Mystik zu verbinden. So übernahm er zum Beispiel das Sonnensymbol – ein Bild für den auferstandenen Christus, oder das Wort „Süßigkeit“ – eine alte Bezeichnung für Gottes Gnade, die wie Honig fließt.

Der Sommergesang „Geh aus mein Herz“ gehört zu seinen beliebtesten Liedern. Für die 15 Strophen, die sich nur selten als ein Ganzes entfalten können, brauchen wir einen langen Atem. Natürlich hat er als lutherischer Pfarrer mit seinem Lied ein Ziel: die Vermittlung und die Stärkung des Glaubens. Er malt uns vielmehr Bilder vor Augen und weckt Emotionen.

Noch vor allem Sinn aber ist die Sprache dieses Liedes Klang. Leichtfüßig und elegant kommt sie daher.. Alles scheint wie mit leichter Hand entworfen, und ist doch nach allen Regeln der Kunst gestaltet. Die rasch wechselnden Bilder vermitteln den Eindruck ständiger Bewegung, aber halten Kurzatmigkeit und Unruhe fern. Sie ziehen emotional in diese Bewegung hinein und ermuntern dazu, sich in dem sprechenden Ich selbst wiederzufinden.

Die Gemeinde singt die 1. Strophe.

Liebe Gemeinde,

In der ersten Strophe, die wir eben gesungen haben, schickt der Dichter sein Herz auf Reisen. „Suche die Freude, suche sie in der Natur, die der Sommer in einen einzigen großen, blühenden Garten verwandelt hat.“

Die Anrede an das eigene Herz ist eine Redefigur, die bei Paul Gerhardt, aber auch sonst im Kirchenlied der Barockzeit häufig vorkommt. Ihren Ursprung hat sie in der Sprache der Psalmen. Sie ist nicht Ergebnis philosophischer Selbstreflexion, sondern Ausdruck der Erfahrung. In der Mitte steht das Herz. Es kann sich der Betrachtung widmen, aber auch auf ein Du beziehen.

In kühner, fast befremdender Weise wird die Unterscheidung zwischen dem Ich und dem eigenen Herzen betont. Das Ich kann manches wissen, und die Augen können manches in den Blick nehmen, ohne dass das Herz davon berührt wird. Und darum wird es aufgefordert, die

Gaben des Schöpfers anzuschauen und sich an ihnen zu erfreuen. „Geh aus mein Herz und suche Freud.“ Sei ein gegenwärtiger Mensch, und du wirst den Gesang des Lebens vernehmen.

Die Gemeinde singt die 2. Strophe.

Liebe Gemeinde, ob wir auch so staunen können? Ob wir auch mit solchen Augen in die Welt blicken können wie dieser Dichter, der sein Lied zum Lobe Gottes mit einem Ausruf des Staunens beginnt und dann offensichtlich aus dem Staunen nicht mehr herauskommt? Der Dichter singt sein Lied, ein hinreißend schönes Lied. So hinreißend, wie nur einer singen kann, der selber hingerissen ist. Und die Interpreten sind dann eigentlich überflüssig. Denn in einem gelungenen Lied, in einem geglückten Gedicht – da gibt es nichts auszulegen. Da versteht sich alles von selbst.

Statt auszulegen gilt es vielmehr einzukehren, um sich mitzunehmen zu lassen von dem, was der Dichter zu sagen hat. Und wenn es gut geht, dann werden auch wir zu Staunenden. Man beginnt ja zu staunen, weil man etwas zu hören und zu sehen bekommt, das ungewöhnlich ist. Darin stimmen Philosophie und Theologie überein. Doch dann trennen sich ihre Wege. Die Philosophie und Wissenschaft will das Nichtwissen überwinden – mit dem Ziel, nicht mehr staunen zu müssen.

Ganz anders verhält es sich mit dem Staunen, das dem Glauben eigentümlich ist und von dem Paul Gerhard singt. Auch dieses Staunen entzündet sich am Wunderbaren. Aber je mehr man das Erstaunliche erkennt, desto staunenswerter und geheimnisvoller wird es. Denn das Erstaunliche ist in diesem Fall Gott. Wer sich auf ihn einlässt, der gerät von einem Staunen ins andere.

Die Gemeinde singt die Strophen 3 bis 8.

Liebe Gemeinde,

Die Erde ist voll der Güte des Herrn. Unbeschwert und im guten Sinne des Wortes „außer sich“ ist der Dichter in den Strophen, die wir eben gesungen haben. Überschwenglich werden die Gaben Gottes gepriesen. Die ganze Natur ist ein Garten. Überall ist vielfältiges, bewegtes, klingendes, überschäumendes Leben, das von Schrecken und Schatten unberührt scheint.

Die Erde ist voll der Güte des Herrn.

Die Erde voll der Güte des Herrn? Wer’s glaubt, wird selig – ist man versucht zu sagen. Hat Paul Gerhard denn keine Augen im Kopf? Gewiß gibt es viel zu bestaunen in unserer Welt. Gewiß gibt es viel, was uns glücklich macht. Und Dichter sehen die Welt ja bekanntlich immer mit besonderen Augen. Aber ist das wirklich das einzige Wort, das man über diese Welt zu verlieren hat? Dergleichen kann nur behaupten, wer so abgebrüht ist, dass er seine Augen einfach verschließt vor der nicht abreißenden Kette von Übeln, die das Leben auf Erden belasten. Und selbst wenn mein eigenes Leben mir einigermaßen unbeschädigt oder gar behütet vorkommt – und vielleicht sogar ist -, selbst dann bleibt doch die Beschädigung des anderen Lebens, das sich neben mir abspielt, unübersehbar. Ein Blick in die kleine Welt um mich herum – von der großen Welt ganz zu schweigen – genügt, um das kühne Bekenntnis zur Güte des Herrn auf beklemmende Weise zu dementieren.

Liebe Gemeinde,

Paul Gerhard war so harmlos nicht, dass er die dunklen Schatten, die zu unserem Leben gehören, nicht wahrgenommen oder gar beschönigt hätte.

Geboren wurde er am 12. März 1607 im sächsischen Gräfenhainichen und wuchs mit drei Geschwistern in einer angesehenen und wohlhabenden Familie auf. Aber den Eltern war es nicht lange vergönnt, mit ihren Kindern zu leben. Paul ist 14 Jahre alt, als er ohne Vater und mutterseelenallein in die Zukunft gehen muss, die nicht nur vom frühen Tod der Eltern, sondern auch vom Leid des 30 jährigen Krieges und später vom Tod vier seiner eigenen Kinder und seiner Frau überschattet und verdunkelt war.

Nach der Schulzeit in Grimma studierte er im tief vom Luthertum geprägten Wittenberg Theologie und arbeitete zunächst als Hauslehrer in Berlin. Erst 1651 ordinierte man den 44jährigen Paul Gerhardt in der Berliner Nicolaikirche auf die lutherischen Bekenntnisschriften. In dieser Lehre ist Gerhardt bis an sein Lebensende beständig geblieben, auch wenn ihn dies Amt und Würde kostete und er Berlin verlassen mußte.

Die letzten 20 Jahre sind vom Lebensleid und Alltagsfreude geprägt. Aus dieser Zeit stammen auch drei der berühmtesten Lieder: Wie soll ich dich empfangen – Befiehl du deine Wege – Geh aus mein Herz und suche Freud.

Paul Gerhardt stirbt am 27. Mai 1676 in Lübben. Er wird im Chorraum – nahe dem Altar – beigesetzt. Seinem einzig lebenden Kind hinterläßt er ein Erbe aus Liedern.

Liebe Gemeinde,

Wenn wir dieses von schwerem Leid gezeichnete Leben vor Augen haben, dann verstehen wir, wie ernst es der Dichter meint, wenn er ein Loblied anstimmt. Es ist wie jede neue Wahrheit der elenden Wirklichkeit ein entscheidendes Stück voraus. Für Paul Gerhardt wird ein leuchtender Sommertag zu einem Gleichnis für das ewige Leben. Mitten im Lebendigen des Augenblicks begegnet das Ursprüngliche, mitten im Natürlichen die ganz andere Welt Gottes. Dies wird nicht nur durch die Beschreibung der Natur als Gottes Garten entfaltet, sondern die Naturbilder sind zugleich voller religiöser Symbolik. Es sind doppeldeutige Bilder. So können Taube, Storch, Schwalbe, Hirsch und Biene sowohl für Christus als auch für den gläubigen Menschen stehen. Der Weinstock weist auf Christus und die Rebe auf die Jünger. Wein und Weizen erinnern an das Abendmahl. Vor allem aber verweist das Bild des Sommers, der Reife und der Ernte auf Gottes Reich.

Es ist eine uralte Erfahrung, die hier zum Ausdruck kommt. Wer hoffen will, muss sich etwas ausmalen. So schaut das Herz mehr, als das Auge sieht. Alles Weltliche kann geistliche Bedeutung gewinnen, und das Geistliche kann in weltlichen Bildern den Sinnen zugänglich werden.

Liebe Gemeinde,

„Nichts mehr wird kommen“ – heißt es am Anfang eines erschütternden Gedichtes von Ingeborg Bachmann, die dann bald für immer verstummte. „Nichts mehr wird kommen“.

Dieser Satz markiert das Ende eines reichen und mitunter widersprüchlichen Lebens. Aber nun tiefste Resignation. Nichts mehr wird kommen. Und dann dieselbe Resignation noch einmal in herzzerreißenden Bildern: Frühling wird nicht mehr werden … Aber auch Sommer und weiterhin, was so gute Namen wie „sommerlich“ hat – es wird nichts mehr kommen. Wohl dem, der die bittere Erfahrung niemals machen mußte, die sich in diesen Sätzen ausspricht: die bittere Erfahrung, keine Zukunft zu haben; die bittere Erfahrung auf nichts und niemanden mehr hoffen zu können; die bittere Erfahrung einer durch und durch tristen Gegenwart.

Paul Gerhard stimmt in seinem Sommergesang ein anderes Lied an. In seinem neuen Lied geht es um das Lob Gottes. Dieses Gotteslob sieht aber gerade nicht ab von dem, was in unserer Welt und in unserem eigenen Leben schlimm und beklagenswert und zum Verzweifeln ist. Das wahre Gotteslob kommt ja gerade von solchen Erfahrungen her. Das wahre Gotteslob gilt dem Gott, der die Tiefen menschlichen Seins kennt, der uns aufrichten und befreien will, der uns stark macht zur Hoffnung. Weil Gott nicht aufhört, in einer oft genug beklemmenden Welt da zu sein, für uns da zu sein, deshalb loben wir Gott. Dieses neue Lied – mit dem wir ein großes Ja zu Gott und auch zu uns selbst sagen – ist der Anfang jenes Zusammenlebens, das ewiges Leben genannt zu werden verdient.

Und Paul Gerhard versteht es, von diesem Anfang zu singen. Er sieht schon, was aus Gottes verborgener Ewigkeit auf uns zukommt. Von einer Herrlichkeit ist da die Rede, die man kaum beschreiben kann. Und so ändern sich die Bilder. Die Sprache verändert sich. Sie wird zur bewegenden Anrede an ein Du und erinnert an das Hohelied aus dem Alten Testament. Eine Sehnsucht wird geweckt, eine Sehnsucht nach der Welt Gottes, die nicht mehr durch das Vorfindliche gestillt werden kann. Mitten in den Topoi des irdischen Gartens meldet sich etwas, das hier keinen Ort hat, utopisch ist: nicht nur lebendig grün, sondern gülden, nicht arm, sondern reich, nicht erfüllt von den Stimmen der Tiere und Menschen, sondern von ganz anderen Stimmen, die ihr Halleluja singen. Im Singen gewinnt das Hier und Dort schon Realität. Im Singen gewinnt das Utopische einen Ort. Wohl dem, der Ohren hat zu hören. Wohl dem, der in solche Töne einzustimmen vermag.

Die Gemeinde singt die Strophen 9 und 10.

Liebe Gemeinde,

Die letzten Strophen sind bestimmt von Bitten. Unaufdringlich werden die zentralen Worte des reformatorischen Glaubens genannt: Geist, Gnade und Glaube. Sie verbinden sich wieder mühelos mit Bildern aus der Welt des Gartens. Aus dem Himmel, in dem Paul Gerhardt soeben noch in Gedanken spazieren gegangen ist, kehrt er in diese Welt zurück. Er weiß: Mein Leben ist anders als das der Tiere und Pflanzen.

Ich verfüge über Freiheit. Ich kann Entscheidungen treffen, bin verantwortlich für mein Tun.

Aber aus eigener Kraft kann ich auf dem guten Weg nicht bleiben. Ich bin immer in Gefahr. Und darum betet der Dichter um Gottes Heiligen Geist, der uns den Mut schenkt, ganz und gar geistesgegenwärtig auf dieser Erde zu leben. Er betet um Gottes Geist, der den rechten Glauben schenken und erhalten kann – so, wie es auch der Spruch dieser Woche sagt:

„Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es.“

Die Gemeinde singt die Strophen 13 und 14.

Liebe Gemeinde,

Paul Gerhardts Sommergesang geht vom Staunen aus und kehrt am Ende zum Staunen zurück. Und das mag wohl der Grund dafür sein, dass in dieser Dichtung, deren Schönheit man sich schwerlich entziehen kann, am Ende auch keineswegs schon alles gesagt ist. Der Dichter ist in den letzten Verse mit seinem Loblied noch längst nicht am Ende, sondern bekennt: „Mein Herze soll sich fort und fort an diesem und an allem Ort zu deinem Lobe neigen. … So will ich dir und deiner Ehr allein, und sonsten keinem mehr, hier und dort ewig dienen.“

Gott täglich nötig zu haben und in den kleinen Ermutigungen und Stärkungen des Alltags die Fürsorge Gottes erkennen“ Ein Tagesthemensprecher schloß die Sendung oft am späten Abend so ab. „Das waren die Nachrichten für heute. Und morgen ist ein neuer Tag.“

Alte Menschen sagen oft, was die Jungen in ihrer Bedeutung manchmal unterschätzen. Sie sagen: „Ich bin froh, dass ich jeden Tag aufstehen kann.“

Gott gebe mir nur jeden Tag, / Soviel ich bedarf zum Leben.

Beim Dichter Matthias Claudius, heißt es:
„Er gibt’s dem Sperling auf dem Dach;
Wie sollt er ’s mir nicht geben?“

Und der Friede Gottes der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
AMEN

 

Predigt zu Himmelfahrt 2018 (Prädikantin Katharina Peter)

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft, die der Heilige Geist schafft, sei mit uns allen.

AMEN

Christi Himmelfahrt, liebe Gemeinde, steht heute im Kalender.

Schön, so ein Feiertag, mitten in der Woche. Man kann doch alles Mögliche unternehmen an so einem Tag. Aber – Himmelfahrt – ist das nicht doch eher ein Tag für weltfremde Träumer, die nicht sehen, was um sie herum geschieht, die ihren Blick nur zum Himmel richten?

Da fällt mir die Geschichte von Hans-Guck-in-die-Luft ein aus dem Kinderbuch da heißt es:

,,Der Struwwelpeter“:

„Wenn der Hans zur Schule ging,
stets sein Blick am Himmel hing.
Nach den Dächern, Wolken, Schwalben
schaut er aufwärts allenthalben.
Vor die eignen Füße dicht, ja, da sah der Bursche nicht. – wer braucht schon weltfremde Träumer.

 

Ende der 50´er Jahre gab es einen Wettlauf zwischen der Sowjetunion und den USA. Es ging darum wer den ersten Menschen in den Weltraum bringt. Am 12. April 1961 war es soweit: Der Russe Jurij Gagarin war der erste Mensch im Weltraum. Eine der ersten Fragen, die man ihm nach seiner Rückkehr stellte war: „Na und? Haben Sie ihn gesehen?“ Und Gagarin antwortete: „Njet“. Er hatte Gott nicht im Weltraum gesehen. Für die sowjetische Propaganda war dies der Beweis, was für ein Unsinn die christliche Religion doch sei. Die Sowjetunion ist längst Geschichte und die Christen gibt es noch immer.

Mit Himmel ist in der Bibel nicht der Himmel über unseren Köpfen gemeint. Die Bibel meint den für uns unsichtbaren Machtbereich Gottes. Eine Dimension, die uns Menschen verschlossen ist. Im Englischen bezeichnet man mit „Sky“ den Himmel über uns und mit „Heaven“ die unsichtbare Wirklichkeit Gottes. Jesus ist in diese Wirklichkeit aufgenommen worden. Das besagt die Himmelfahrtsgeschichte so, wie wir sie eben in der Lesung gehört haben.

 Jesus ist jetzt da, wo Gott ist. Das Glaubensbekenntnis, bringt dies mit den Worten zum Ausdruck: „er sitzt zur Rechten Gottes des Allmächtigen Vaters“. Und das Lied „Jesus Christus herrscht als König“, welches wir gerade gesungen haben sagt das Gleiche: Jesus ist bei Gott!

Dennoch ist das mit der Himmelfahrt nicht leicht zu verstehen, das hat doch so was Unbegreifliches, ja beinahe mystisches. Die einen, so wie wir hier heute Morgen, feiern das mit einem Gottesdienst. Andere feiern Vatertag und viele Väter machen sich auf den Weg um mit Ihresgleichen einen feuchtfröhlichen Tag zu verbringen.

In der Bibel lesen wir:  Die Jünger erlebten unglaubliches, was sie gerade erlebt hatten. Da sind wir aber nicht alleine, wenn wir das nicht so ohne weiteres glauben können. Unglaublich war das, was die Jünger gerade erlebt hatten, Sie standen da und sahen zum Himmel. Solange bis sie Boten Gottes an ihren Auftrag erinnerten und sie machten sich auf den Weg nach Jerusalem.

Es dauerte noch ein bisschen, genau genommen bis Pfingsten, bis die Jünger, getrieben von der Kraft des Heiligen Geistes, das sein konnten, was Jesus ihnen bei seiner Himmelfahrt zugesagt hatte: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und werdet meine Zeugen sein!“

 Da sind dann die Jünger an der Reihe weiterzugeben, was sie gehört, gesehen und erlebt haben von und mit Jesus Christus. Die ersten Gemeinden entstehen und die Botschaft von Jesus Christus breitet sich aus, nämlich: dass nunmehr mit dem Leben, Sterben und der Auferweckung Jesu von Gott her alles Wichtige gesagt und getan ist. Wer sich auf ihn ausrichtet kann wissen, was er glauben, was er tun und was er hoffen kann. Und das, liebe Gemeinde, galt damals, durch die Zeiten, bis heute und wird in Ewigkeit gültig sein.

Aber damals waren und heute sind da Mächte, die das Ausbreiten der Botschaft von Jesus Christus verhindern. Damals ließ sich gar der römische Kaiser „unser Herr und Gott“ nennen. Die junge Christenheit steckte in einer Krise. Ja, schlimmer, jene, die seine Gottheit nicht anerkannten, wurden verfolgt.

 Der Bibelabschnitt, der als Predigttext für heute vorgeschlagen ist, wollte die Gemeinden damals aufrichten und ermutigen.

 Predigttext   Ich lese aus der Offenbarung 1, 4 – 8

Gruß an die sieben Gemeinden

4 Johannes schreibt an die sieben Gemeinden in der Provinz Asia: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind,

5 und von Jesus Christus, welcher ist der treue Zeuge,                                          der Erstgeborene von den Toten und Fürst der Könige auf Erden!                             Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut

7 Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen und alle, die ihn durchbohrt haben, und es werden wehklagen um seinetwillen alle Stämme der Erde.

8 Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.

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So weit  Worte aus der Offenbarung des Johannes  (Kapitel 1, die Verse 4 – 8J

In Vers 11 werden diese sieben Gemeinden namentlich aufgeführt: Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea.Allerdings bedeutet “sieben Gemeinden” mehr als nur die hier aufgeführten Gemeinden in der heutigen Türkei, sondern sie drücken eine bestimmte Botschaft aus. Sieben ist die göttliche Vollzahl. So ist hier die Gemeinde Jesu überall und zu jeder Zeit gemeint. Auch wir, hier heute Morgen gehören zu den Adressaten dieses Grußes. Die Botschaft gilt auch uns.

Dieser Gruß ist nicht von irgendwem, sondern von Gott, von Jesus Christus und vom Heiligen Geist. Hier geht es um Gnade und Friede.

„Gnade“ Ein Wort, das für unsere Ohren eher altertümlich klingt..  Das meint nicht, dass es uns gut gehen muss, und wir uns keine Sorgen machen müssen. Jesus hat uns mit seinem Leben und mit seinem Sterben gezeigt, was Gottes Gnade ist.

Johannes beschreibt es mit den Worten: „Er hat uns erlöst von unseren Sünden durch sein Blut.“
Gottes Gnade besteht darin, dass er uns liebt.
Einen Menschen lieben, heißt: ihn gelten lassen, mit seinen Ecken und Kanten.
für ihn da sein, sich, wenn nötig, neben ihn, vor ihm und hinter ihm stehen.

Deshalb wurde er Mensch.
In Jesus Christus bekam seine Liebe zuuns Menschen Hände und Füße. So wurde möglich, dass er uns erlöst von unseren Sünden

 „Gnade“ der erste Teil des Grußes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asien und auch an uns heute.

… und Johannes wünscht Frieden. Der war genauso ersehnt wie heute, im Großen, wie im Kleinen.

Den Frieden, unsere innere Unruhe, und Zerrissenheit,                                                 in ihren Fragen und Zweifeln jetzt und hier was uns manchmal nicht zur Ruhe zum inneren Frieden kommen läßt.? ——

 „Gnade sei mit euch und Friede.“

Feierlich mutet unser Predigttext, wie Martin Luther ihn übersetzt hat, an. Da geht es um Rückblick, Einblick und Ausblick in Gottes Pläne auf das, was kommt. Dieser Rückblick sagt uns, dass Gott immer da war von Anbeginn der Zeit! Er war auch in unserer Vergangenheit da hier und jetzt, in deiner und meiner Gegenwart, in der Gegenwart der Welt bis in Ewigkeit.

In diesem Bewusstsein leben zu dürfen.

So grüßt Johannes,: „Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt.“

Das ist geschrieben an Menschen damals und uns heute, die wir mitten in der Welt stehen, uns umsehenund erkennen müssen: Hier sind bei weitem keine himmlischen Zustände. Wir schauen auf die politische Lage, bei uns und anderswo.

Wir sehen unbarmherzige Machthaber und Menschen, die in ihrer Verzweiflung die Heimat verlassen und nach einer neuen Bleibe suchen.

Wir sehen die, welche Macht ausüben und welche die darunter leiden.

Wir sehen die, die auf riesigen Waffenarsenalen sitzen und Angst und Schrecken verbreiten.

Wir sehen Naturkatastrophen und müssen erkennen, dass da auch der Mensch seine Hand im Spiel hat. Er sollte die Erde bebauen und bewahren, aber das Bewahren ist auf der Strecke geblieben.

Ja, da sind all die Dinge, die uns ganz persönlich beschäftigen, der Alltag mit seinen Anforderungen, wir wissen manchmal nicht wo uns der Kopf steht und hoffen, dass es doch irgendwie gut wird.

Und so sitzen wir jetzt hier im Gottesdienst an Christi Himmelfahrt und beschäftigen uns mit diesem Text aus der Offenbarung des Johannes, und müssen uns überlegen, was hat das mit uns zu tun. Ich glaube, er möchte uns einladen, doch hin und wieder den Blick zum Himmel zu richten, nicht zu dem Himmel über uns, sondern innerlich uns dem allmächtigen Gott zuwenden. So wie es

Im  Vers 8 unseres Predigttextes heißt :

„Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.“

Der Blick dahin ist nichts für weltfremde Träumer, in Hans-Guck-in-die-Luft-Manier. Dieser Blick zum „Himmel“ ist das Ausrichten auf Gott. Er ist A und O, Anfang und Ende von allem was war und ist und sein wird.

Wir sind ihm wichtig! Mit diesem allmächtigen Gott sind wir immerhin per du, dürfen ihn „unseren Vater“ nennen.

Und dann ist da ein konkreter Text, nämlich die Wiederkunft Jesu: „Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen.“ So schreibt Johannes.

Bis es soweit ist haben wir die Zusage Jesu: „Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“ In diesem Bewusstsein feiern wir Himmelfahrt, ohne weltfremd zu träumen.

Martin Luther hat das so ausgedrückt: „Christi Himmelfahrt und sein Sitzen zu Rechten Gottes muss man ein tätig und kräftig Ding sein lassen, das bis heute wirkt. Darum hüten wir uns zu denken, dass er jetzt weit weg von uns sei, sondern grad umgekehrt: 
„da er auf Erden war, war er uns fern, jetzt ist er uns nahe.“

AMEN

 Und Gott wird uns seinen Frieden schenken, den Frieden, der all unser Verstehen, all unsere Vernunft übersteigt, der unsere Herzen und Gedanken im Glauben an Jesus Christus bewahrt.

Predigt zum Sonntag Rogate 6.5.2018 über Koll. 2a e.a. (Pfr. M. Neugber)

Lasst nicht nach im Gebet! Seid beharrlich beim Gebet! Betet ohne Unterlass!

Ich will Gott allezeit lobsingen!

Solche und ähnliche Aufforderungen begegnen einem immer wieder in der Bibel. Und sie sind ernst gemeint.

Nun gibt es tatsächlich klösterliche Gemeinschaften, da machen Nonnen und Mönche nichts anderes als beten. Wieder andere beten immerhin einmal täglich. Und andere lassen beten. Sie bezahlen Geld, sie spenden etwas, und dafür beten andere ohne Unterlass. Auch eine Form der Arbeitsteilung.

Die nur einen Haken hat: Sie bringt nichts. Zumindest dem nicht, der beten lässt. Fragt sich nur, was die, die auffordern, ohne Unterlass zu beten, unter Gebet verstehen.

Wir kennen Gebete zu bestimmten Anlässen. Tischgebet, ein Psalm, im Gottesdienst auch ein Klagegebet, ein Gotteslob, Fürbitten…

Wenn man nun nicht gerade in einem Kloster lebt, in dem nur gebetet wird, und es gibt ja durchaus Klöster, da wird auch gearbeitet, dann wäre es schon merkwürdig, wenn ein Glaubender ständig betet. Stellen Sie sich vor, sie kommen in ein Geschäft, kaufen etwas, gehen bezahlen, und anstelle eines Bitte sehr oder so hören sie z.B. ein Vater Unser oder der Verkäufer bewegt stumm die Lippen, während er vielleicht eine Gebetskette durch die Hände gleiten lässt.

Aber im Ernst: Es gibt tatsächlich Menschen, die beten ohne Unterlass auch außerhalb von Klostermauern. Denn Beten heißt im Grunde: Ich öffne mich der Gegenwart Gottes. Oder eines göttlichen Wesens. Oder dem Urgrund all dessen, was ist.

Ich bin mir dieser allumgreifenden Gegenwart bewusst. Ich brauche da nichts zu tun, nichts zu beurteilen, kann in dieser Gegenwart einfach da sein und leben. Menschen, die so beten, üben das jahrelang. Sie nehmen sich täglich eine Zeit, in der sie nichts anderes tun als da sein und Gottes Gegenwart nachspüren. Diese Urform des Gebetes nennt man auch Kontemplation, Meditation.

Sie wird geübt von Menschen in allen Religionen. Bekannt dafür sind z.B. Buddhisten, Zenmeister. Doch auch unter uns Christen gibt es welche, die es üben und ausüben. Etwa als Herzensgebet, auch genannt: Jesusgebet. Sie üben solange, bis fast automatisch wie das Atmen solch ein ständiges Gebet sie erfüllt. Also mit jedem Atemzug – große Meister mit jedem Herzschlag – Gott angerufen, Gottes Gegenwart sich geöffnet wird, oder mit jedem Atemzug in einem als Gebet erklingt: Jesus Christus, erbarme dich meiner. Wobei mit Erbarme dich nicht die Klage eines Sünders gemeint ist, sondern der ursprüngliche Sinn: Sei mir gegenwärtig.

Ich da – du da. Meister Eckart hatte dieses Gebet: Ich in dir – du in mir – wir bin eins.

So ein tiefes Leben in der Gegenwart Gottes (oder wie auch immer man es sich vorstellt) vertieft das Leben ungemein. Auch das Arbeitsleben, auch den Urlaub, auch das Schlafen und die Begegnungen mit anderen. Denn im Gebet spüre ich nicht nur der immerwährenden Gegenwart Gottes nach – ich bin auch ganz da bei dem, was ich tue oder lasse. Sogar ein banaler Vorgang wie das Einräumen einer Spülmaschine ist dann mehr als lästige Pflicht, die ich mache und im Kopf tausenderlei Dinge habe, die mich auch noch beschäftigen. Ich bin vielmehr ganz bei der Sache, ich lebe. Jetzt. Hier. Ganz und gar.

Das ist – wenn es gelingt – ein beglückender Vorgang. Und erst recht gilt das für Begegnungen mit anderen, wer auch immer. Ganz da sein, tiefer Friede im Herzen, offen für das, was einen anderen bewegt. Denn all das, was ich klagen, bitten, fordern möchte, ist bereits geklagt, gebeten, gefordert.

Mir gefällt das von Meister Eckart schon: Ich in dir – du in mir –  wir bin eins.

Diejenigen in der Bibel, die also rieten: Betet ohne Unterlass – sie wussten, was sie schrieben und sagten. Sie lebten in solcher engen Beziehung zu Gott, im ständigen Gebet, ein Gebet, das keine Worte mehr braucht. Das aber dann, wenn gemeinsame Gebetszeit da ist, etwa Gottesdienst, seine Worte findet.

Gemeinschaftliche Worte.

Und Jesus, der gemeinschaftliche Worte lehrte, das Vater Unser, der ist sozusagen das Urbild solchen Gebetes für uns: Er ist ganz und gar Gebet – ganz und gar Gegenwart Gottes in sich als Mensch mit Leib und Seele.

Christen, in seinem Namen getauft, sollen an diesem tiefen Leben teilhaben, einem Leben, in dem der Tod nicht mehr das letzte Wort hat. Einem Leben, in dem alles Gott – sei – es geklagt mündet in jenes zutiefst friedvoll-frohe „Ich in dir – du in mir – wir bin eins.“

In die ewige Anbetung Gottes, um es traditionell aus zu drücken. Wobei das nicht langweilig ist – genauso wenig langweilig, wie wenn ich einer Angebeteten mich ganz zuwenden darf.

Innig leben. Und zwar jetzt schon.

Und ich gebe zu: Ja, es tut einfach gut – und zugleich ist solches Beten zunächst echte Arbeit. Eine lebenslange Übung. Man kann damit täglich neu anfangen. Macht aber nichts, denn zugleich braucht man sich vor Gott nichts zu schämen. Sondern fängt einfach neu an, vor Gott und so in der Welt ganz da zu sein. Herzschlag für Herzschlag.

Und so beobachte ich, dass sogar junge Menschen Geld ausgeben, um an Kursen teilzunehmen, in denen genau das eingeübt wird.

Darunter auch Kurse von Christen für Christen.

Manche fahren auch nach Indien. Oder besuchen Zenkurse, z.B. Zen-Bogenschießen. Die wenigsten wissen übrigens: Die wirklich großen Meister der sogenannten Kampfsportarten – Judo, Karate, Aikido – tun das nicht, um zu kämpfen oder nur um Sport zu betreiben. Für sie ist es ein Ausdruck, ganz gegenwärtig auch in der schnellen Bewegung sowie in der ganz langsamen Bewegung zu sein. In der Gegenwart des allumfassenden Urgrundes. Darum beten sie vorher und nachher und ihre Bewegung ist selbst ein Gebet – um Kampf zu vermeiden. Zumindest habe ich es so von einem der deutschen Großmeister des Aikido gelernt.

Aber darum ging es den Menschen in der Bibel nicht. Ihnen ging es um ein inniges Mit-Gott-leben, weil dieses Leben auch zu einem friedvoll-innigen Mit den anderen leben führt.

Mit einem Leben vor dem Tode, in dem schon das Leben nach dem Tode aufscheint.

„Ich in dir – du in mir – wir bin eins.“

Betet ohne Unterlass. Seid beharrlich im Gebet. Was es da nun schwer macht, ist unser Bild von Gott.

Kinder haben es da nur scheinbar leichter. Für sie ist Gott jemand über den Wolken, den man anrufen kann, wenn man ihn braucht, und der dann Wünsche erfüllt.

Aber was, wenn er genau das nicht tut? Man mag sich trösten mit dem Bonmot von Dieter Hildebrandt: Gott gibt uns nicht das, was wir brauchen, dafür aber auch nicht das, was wir verdienen.

Oder frommer, etwa wie Dietrich Bonhoeffer es ausdrückte: Gott gibt uns nicht das, was wir uns gerade wünschen, dafür das, was wir wirklich brauchen. Und DB dachte präzise an Gottes Gegenwart auch im unergründlich-unermesslichen Leid.

Andererseits, allen voran Jesus, hatten die biblischen Lehrer des Gebetes, etwa die Psalmisten, die Erfahrung gemacht und dann weitergegeben: Gott ist persönlich ansprechbar. Und Jesus lehrte sogar, Gott Papi zu nennen. Der Russe würde liebevoll sagen „Väterchen“.

Da haben nun viele unserer Zeitgenossen ein großes Problem. Für sie ist Gott weit weg. Zu weit weg. Unvorstellbar weit weg. Dem gegenüber behaupte ich, auch aufgrund der Erfahrung von Lehrern des Gebetes vor mir: Gott ist jedem von uns näher als man sich selbst. Gott ist absolut gegenwärtig in allem.

Das macht Gott zunächst unvorstellbar groß und klein zugleich. Gott, so lehrt es uns die Bibel, steht hinter allem. Wenn die Bibel Gott den Schöpfer oder Dirigent der Geschichte nennt, meint sie: Gott ist nicht ein Teil unserer Welt. Er ist auch nicht irgendein Prinzip der Welt, wie etwa ein Naturgesetz. Er ist kein Uhrmacher der Schöpfung, der sie einmal angestoßen hat und seitdem läuft sie und läuft sie, bis sie irgendwann abgelaufen ist.

Gott ist nicht von dieser Welt und nicht von allen möglichen denkbaren sonstigen Welten. Gott ist allumfassend und somit ist er ewig. Das heißt: Zu jeder Zeit, in jeder Zeit, alldurchdringend gegenwärtig. Für uns Christen ablesbar in Jesus, dem Menschen: Gott ist bis in seine letzte Faser gegenwärtig, und somit ist auch Jesus trotz seines Todes gegenwärtig. Hier und jetzt. Und zugleich gestern und morgen.

Wie Gott.

Das sprengt jede Vorstellung, zugleich muss Gott nicht die Rolle des Lückenbüßers spielen, wenn uns etwas in dieser Welt noch rätselhaft unerklärlich erscheint.

Gott ist auch gegenwärtig in Dingen, die wir auch – ich betone auch – naturwissenschaftlich oder sonst wie erklären können. Und zugleich in Gottes Gegenwart gewinnt es einen wunderbaren poetischen Zauber. Eine Rose etwa, der Schlag einer Nachtigall, die Augen eines Mitmenschen, in die man sich vertieft…

Oder Liebe. Am Besten Liebe.

Und diesen Gott nun duzen… Als Person wahrnehmen. Als persönlichen Ansprechpartner. Als Persönlichkeit.

Auch hier bin ich einem meiner Lehrer dankbar. Der gab zu bedenken: Wir tun uns sicher schwer, ein einzelnes Bakterium Person zu nennen. Und auch eine milliardenfache Versammlung von Bakterien nicht. Auch bei z.B. Regenwürmern hätten wir da Bedenken. Obwohl – inzwischen haben Biologen herausgefunden: Es gibt sogar unter Regenwürmern Charaktere. Übrigens auch bei Bäumen, Buchen etwa.

Haben wir es nun mit sogenannten höheren Säugetieren zu tun, Elefanten, Hunde, Katzen – da fällt es uns schon leichter, von Persönlichkeiten zu sprechen. Wer einen Hund hat, weiß, was ich meine. Und mein Kater ist ein ausgesprochener Feigling, verglichen mit dem des Nachbarn. Je näher die Tiere uns stehen, desto eher sprechen wir ihnen Persönlichkeit zu. Etwa Schimpansen.

Ganz leicht fällt es uns dann bei Unseresgleichen. Ich nehme mich als Person wahr – und unterstelle deshalb Menschen, die mir begegnen, dass sie es auch sind.

Aber wer sagt denn, dass wir das Ende der Entwicklung von Leben sind, schon gar das glorreich gekrönte?

Ich weiß nicht, wohin die Lebensreise auf diesem Planeten geht in den nächsten Abermillionen von Jahren. Vielleicht dominieren eines Tages Oktopusse, die haben jetzt schon 9 Gehirne und zählen zu intelligentesten Lebewesen im Tierreich. Abgesehen davon, dass es irgendwo im All vielleicht auch hochintelligentes Leben gibt. Also lauter Persönlichkeiten.

D.h., es ist vorstellbar, dass es von dem, was wir Person und Persönlichkeit nennen, eine Steigerung gibt.

Und so ist Gott, wie ich ihn verstehe, nicht ein großes ES, sondern die absolute Persönlichkeit. Unserer Person in allem über. Und somit ein großes Du, immer ansprechbar. Gerade weil er so groß ist, dass ich ihn nicht direkt sehen, sondern lediglich wahrnehmen kann, in der Stille eines Gebetes, im Staunen über ein wunderbares Geschöpf wie ein Baum oder eine Hummel, in der tiefen Begegnung mit einem Mitmenschen, und – im Hilferuf eines Notleidenden.

Seid beharrlich im Gebet: Also nicht immer klagen oder bei Gott Bestellungen aufgeben, sondern schlicht in Gottes Gegenwart da sein, auf Du mit seiner Nähe leben – und so von Gegenwart zu Gegenwart am Leben sein.  Das will geübt sein. Wie alles im Leben (richtig – sogar das Atmen muss geübt werden) – aber das schöne ist, etwa im Unterschied zum Geigespielenkönnen: Dafür ist man nie zu alt. Dafür fange ich täglich neu an, es zu üben. Ich stelle mir dann vor, sollte ich einmal richtig alt sein und nichts mehr können als daliegen: Mein wahres Ich in mir ist am Beten, Gott ist gegenwärtig, und tiefer Friede erfüllt mich und ich lebe. Ich in dir – du in mir – wir bin eins. Auch im Sterben.

1.Sam2,1ff, Lk.24,39 und ein Aprilscherz, der keiner ist – Ostersonntag 2018 (Pfr. M. Neugber)

1.Sam2,1ff, Lk.24,39 und ein Aprilscherz, der keiner ist1

Ostersonntag 2018

Liebe Gemeinde,

Gnade sei mit euch und Friede von Gott durch Jesus Christus in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Amen.

Das Datum heute ist gar zu verführerisch.

Die DBA2 meldet: „In Jerusalem wurde das echte Grab Jesu gefunden. Darin lagen Jesu Gebeine, wie Genanalysen ergaben seine Gebeine.“

Ein rechter Aprilscherz? Ein schlechter Aprilscherz?

Gesetzt den Fall, man würde dies tatsächlich finden:
Ich würde erst recht Ostern feiern.
Denn dann wäre für mich Jesus in seiner Menschlichkeit uns noch näher und gleicher als gedacht und wir ihm als einmal Auferweckte in seiner Göttlichkeit noch gleicher als erhofft.
Das will ich nun auch erläutern.

Landläufig stellt man sich Jesu Auferweckung ja so vor wie eine Art totale Reanimation seines toten Leibes durch Gott. Analog dachte man über Jahrhunderte: Genauso werden auch unsere Gebeine und Leiber und alles was dazu gehört, am Jüngsten Tag reanimiert.

Nur: Was soll ich dann sagen bei Urnenbestattungen? Und was geschieht mit denen, die z.B. bei jenem furchtbaren Flugzeugunglück in den französischen Alpen zu Staub zerschellt sind?

Der Apostel Paulus, in unserer Bibel der früheste Zeuge des lebendigen Christus Jesus, nannte die Auferweckung eine große Verwandlung. Die Wirklichkeit, die wir in Gott erleben sollen, ist anders gestrickt als die, in der wir jetzt leben. Es fügt sich alles neu. Jesu Leben, sein Kreuz, seine Auferweckung stehen dafür ein. Unser Leben – ein Lebenswandel.

Ein Lebenswandel ist unser Leben schon jetzt. Ich ernähre mich von anderem Leben. Eine Pflanze, ein Tier verwandelt sich in mein Leben, indem ich verdaue und die Bestandteile zu denen meines Körpers mache. Und einmal werde ich mich genauso verwandeln in anderes Leben hinein, was auch immer das dann sein wird, ein Tier, mehrere Tiere und / oder Pflanzen. Die Bestandteile meines Körpers werden anderen zu Lebensmittel.

Insofern geht Leben nicht verloren, es wandelt sich. Darüber haben z.B. die Buddhisten tief nachgedacht. Sie kamen auf die Idee der Seelenwanderung. Erlösung heißt bei ihnen, von diesem Wandel befreit zu werden und im Grund allen Seins, im Nirwana aufgehen wie ein Tropfen im Meer.3

Wie auch immer: Wenn sich mein natürliches Leben wandelt in anderes Leben, wenn ich wieder Nährstoff dieser Erde werde, oder im Nirwana eingehe, verschwindet meine persönliche Lebensgeschichte. Das, wovon ich sage: „Das bin ich wirklich und wahrhaft selbst“, hört auf zu existieren.

Die Jüdisch-christlich-biblische Sicht auf das Leben bezeugt den Gott, der genau dieses Selbst gewollt hat und bei sich bergen will, weil er es liebt.

Ja, wir sind ein Teil des großen Lebenswandels in der Naturgeschichte dieser Erde. Das ist gut so. Denn diese Welt ist gehalten in schöpferischen Liebe des  Gottes, der alles umbirgt.

Zugleich ist jeder von uns ein einmaliges Wesen, von Gott gewollt. Ein Kind Gottes.

Das ist in dieser Welt nicht zu trennen von dem, was wir Leib nennen. Aber ich kann es unterscheiden von dem, was meinen Leib im Wandel der Zeiten steuert (z.B. die Gene). Ich bin leibhaftig natürliches Wesen auf der einen Seite und auf der anderen Seite als Kind Gottes geschaffen und beseelt. Damit habe ich wie jeder Mensch die  Aufgabe, mich von Geburt an hinzuwandeln zu meinem wahren Menschsein.

So, wie es für uns Jesus lebte: Der Mensch ist dann göttlich, wenn er wirklich wahrhaft er selbst und wirklich menschlich ist.

Paulus hat darum die Erlösung als Sieg des Lebens sinngemäß beschrieben: Wir sterben wie Jesus, um wie Jesus unser Leben wandeln zu lassen, also ganz selbst, ganz Kind Gottes zu werden, unendlich geliebt und liebenswert. Auch für die, die uns jetzt nicht liebenswert finden. Und wir finden alle die die liebenswert, die wir jetzt noch eher abstoßend erleben. Denn wenn jeder er selbst ist, hat das Leben eine neue Form, seine wahre Form gefunden. Menschlich und göttlich zugleich. Dann wurde aus Jesu Ostern Ostern für alle Welt, Ostern für alle Geschöpfe. Die Welt hat ganz zu sich selbst gefunden.

Und Jesus sprach davon als Reich Gottes. Und das beginnt schon vor dem Lebensende, mitten unter uns, inmitten dieser Schöpfung und ihrer natürlichen Gesetzte vom Lebenswandel.

Lukas erzählt in seiner Ostergeschichte: Als Jesus auferweckt wurde, hielten ihn die Jünger für ein dämonisches Gespenst, also eine Art Anti- Jesus. Jesus widersprach: Jetzt bin ich hier, ich bin es, ich wahrhaft selbst.

Als Auferweckter ist er zu seiner eigentlichen Gestalt gekommen, zu seinem wahren Selbst. Auferweckung heißt: wir werden wahrhaft wir selbst werden. Gott entschlüsselt uns unser ganz persönliches Leben und seinen Sinn und unser Ich.

So entdecken wir unser Leben neu.

So nebenher widerspricht Ostern daher der größenwahnsinnigen Behauptung, der Mensch, wie er jetzt ist, wäre die Krone der Schöpfung und das Ziel der Evolution. Biblisch ist die Krone der Schöpfung das in sich selbst Ruhen von Gott und in Gott.

Der Mensch jetzt ist noch nicht der wahre Mensch. Das Leben der Schöpfung hat, soweit es Gott betrifft, noch einen großen Wandel vor sich. Und damit auch die Menschlichkeit.

Schon rein diesseitig darf man übrigens gespannt sein auf die nächsten Jahrmillionen. Die Evolution, auch die des Menschen, geht weiter. Das nur am Rande.

In der Mitte von Ostern lautet die gute Botschaft: So, wie Jesus, wird es uns ergehen. Jesus, er selbst ganz Mensch, er selbst ganz Kind Gottes, Gott selbst ganz in ihm: Er ist wahrhaftig auferweckt.

Es deutete sich in seinem Leben schon an. Zeichenhaft erzählten die Evangelisten, wie Jesus über den See ging. Leicht wie ein Engel. Oder als er auf dem Berg verklärt wurde, von innen heraus leuchtete als eine göttliche Lichtgestalt. Schon vorab kündigte sich sein neues Leben an als neue Weise, in Gott zu wandeln.

Ob nun leeres Grab oder ein Grabfund mit erwiesenermaßen Jesu Gebeinen4: Es ist für mich bedeutungslos. Bedeutung haben für mich die Erfahrungen derer, die Jesus als auferweckten erlebt haben, sogar ziemlich leibhaftig, und die ihn bezeugen. Deren Botschaft von Jesu Auferweckung bleibt für mich ein Halt, ein Grund, darüber hinaus zu hoffen: Er, der Lebendige, bleibt unser Lebensgefährte, der uns unermüdlich auf das große Ziel hinweist und, oft unbemerkt, hinführt und hinüberleitet. Jesus bleibt der Weggefährte, in dem wir uns ganz selbst finden.

Nun haben die Evangelisten aber von einem leeren Grab erzählt. Das geht sogar so weit, dass mit einem gewissen Schmunzeln erzählt wird, Jesu Leichentücher hätten sorgfältig zusammengelegt in seinem ansonsten leeren Grab gelegen, so, als wäre er ganz normal aufgestanden und hätte sein Bett gemacht.

Ich meine, es liegt nicht daran, dass die ersten Christen so etwas als Vorstellungskrücke für ihren Glauben brauchten. Die Menschen der Antike waren intelligenter als wir meinen. Vielleicht sogar weiser als wir sind.

Zwei Ziele hatten die Prediger von Jesu Auferweckung und dem damit verbundenen leeren Grab:

Viele gebildete Menschen damals verachteten nämlich das leibliche als dämonisch. Ja, es soll vergehen, übrig bleiben soll die reine Seele, die sich zu Gott erhebt.

Demgegenüber wird bezeugt: Das Leibliche ist Gottes gute Schöpfung. Auch mein Körper, der mir manchmal zu schaffen macht, ist ein guter Teil von mir, den ich achten, schätzen ehren soll. Wie Hildegard von Bingen sagte: Tu deinem Leib öfter etwas Gutes, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.

Aufweckung heißt: Gott findet für uns eine leibhaftig erlöste Form. Wir wabern nicht irgendwie diffus herum, sondern finden eine neue Lebensform und darin zu ihm und zu unserem wahren Selbst als Kind Gottes. Wie auch immer das aussieht. Und wenn gesagt wird, Jesu habe seinen vom Leid gezeichneten Leib behalten, dann drückt sich darin aus, wie lieb und ernst Gott unser Leben aus Seele UND Leib nimmt.

Das andere Ziel der Berichte vom leeren Grab scheint mir zu sein: Die Evangelisten wollten verhindern, dass Menschen zu Jesu Grab pilgern und seine Gebeine als Reliquien verehren.

Sie legten Wert darauf: Das Grab ist irrelevant. Er ist nicht hier.

Er geht voran. Er führt euch zu eurem wahren Selbst, in dem er euch in diese Welt führt, hin zu Menschen, die eure Zuwendung brauchen. Menschen, die Gott euch auf euren Lebensweg stellt. Damit ihr zunehmend geprägt von Nächstensorge durch euer Leben wandelt. In eurem Nächsten – da begegnet euch der Auferweckte. Das ist der Pilgerort. Da ruhen sozusagen Jesu Gebeine und da sind sie zu verehren. Dafür gibt euch Gott seinen Geist: Dass ihr aufgeweckte Menschen werdet. Menschen, die mit aufgewecktem Sinn sehen, was diese Welt vonnöten hat. Was Menschen, brauchen, damit sie neu auferstehen können ins Leben.

D.h., selbst, wenn man also ein Grab Jesu mit Gebeinen darin fände – es wäre, wie gesagt, für mich zuhöchst bedeutungslos. Wichtig ist die Botschaft derer, die ihn als lebendigen Christus erfuhren. Und bezeugen, wo und wie er uns heute noch vorlebt, was für uns wichtig bleibt, damit wir zu uns selbst als Kinder Gottes finden.

So ist er da und präsent.

Er ist da als Lebendiger in den Trümmerstädten Syriens, bei den vergewaltigten Frauen in Afrika, da lebt er unter uns, wo ein Mensch uns als Mitmensch braucht.
Dahin gilt es, zu pilgern, und durch schlichte menschliche Nähe das Osterfest zu begehen.
Ostern – was heute ist, ist also nicht nur hier – sondern da, im Alltag, morgen, übermorgen.
Wo wir das Leben, das Gott will, begehen. Würdigen. Und so recht feiern.
Aufweckung heißt dann: Aufgeweckt jeden neuen Tag annehmen und bereit sein für eine guttuende Begegnung.

Insofern habe ich Ostern tatsächlich hier in Petterweil erlebt. In Gestalt einer relativ jungen Frau. Die hätte eigentlich schon lange nicht mehr leben dürfen aufgrund einer angeborenen Lungenkrankheit. Doch sie lebte, jeden Tag neu. Sie hat ihr Leben angepackt. Sie hat einen Mann kennen und lieben gelernt. Sie hat einem Kind das Leben geschenkt. Und als sie mit mir sprach, sprach sie fast fröhlich über den Tag ihres Sterbens. Ihre Krankheit war unübersehbar da, aber sie selbst war ganz bei sich und voller Lebendigkeit. Und davon zeugt ihr Grabstein. Der kein Stein ist, sondern ein buntes durchsichtiges Lebenszeichen. Gehen sie ruhig auf den Friedhof – sie werden diese Osterspur dort finden. Und wenn ich mal meine, mir geht es ach so schlecht – ich muss an sie denken und lasse mich darauf hinweisen: Leid und Tod haben nicht das letzte Sagen – heute scheint auch mir das Leben auf. Ich bin heute auferweckt, um es wahrzunehmen. Und sei es als Freude über den Gesang einer Feldlerche.

Wenn es also um Ostern geht, muss ich auch an diese Frau denken – und mit ihr an eine Frau, von der die Bibel erzählt. Hanna hieß sie. Ihr Leben schien zu Ende, denn ihr Lebenswunsch blieb unerfüllt. Und dann bekam sie doch noch ein Kind. Sie sah darin mehr als nur die Erfüllung ihres Wunsches. Sie sah darin den Gott, der der Welt ein neues Gesicht schenkt. Ihm sang sie ihr Lied:

Der HERR erfüllt mein Herz mit großer Freude, er richtet mich auf und gibt mir neue Kraft!
Niemand ist so heilig wie du, denn du bist der einzige und wahre Gott. Du bist ein Fels, keiner ist so stark und unerschütterlich wie du.
Die Waffen starker Soldaten sind zerbrochen, doch die Schwachen bekommen neue Kraft.
Wer Hunger litt, hat heute genug zu essen.
Der HERR tötet und macht wieder lebendig.
Er schickt Menschen hinab ins Totenreich und ruft sie wieder herauf.
Dem Verachteten hilft er aus seiner Not. Er zieht den Armen aus dem Schmutz und stellt ihn dem Fürsten gleich, ja, er gibt ihm einen Ehrenplatz.
Dem HERRN gehört die ganze Welt.
Er beschützt jeden, der ihm vertraut.

Ein alttestamentliches Osterlied.
Darum: Fände man einmal tatsächlich ein Grab mit Jesu angeblichen Gebeinen: Er ist nicht da.
Er ist wahrer Mensch, wahres Kind Gottes, Gott ganz ihn ihm –
Und das für alle Welt, in aller Welt. Also auch hier und bei uns.
Und wir mit ihm.
Denn er ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.
Amen.

  1. Die Idee zur Predigt kam mir auch durch einen Kalendertext von Anselm Grün und Susanne Türtscher „Einfach Sein“ Der Kalender aus dem Kloster 2018 Vier Türme Verlag Münsterschwarzach Blatt 13. Woche und aus einem der Bücher von Pfr. Jörg Zink, ich weiß aber nicht mehr, wo. Doch ich kann alle zur Lektüre empfehlen.
  2. Deutsche Bibelagentur
  3. Ich weiß, das ist hier sehr verknappt dargestellt
  4. Kann ich mir übrigens nicht vorstellen, denn dafür bräuchte es genetisches Vergleichsmaterial, und sei es nur von engsten Angehörigen. Ansonsten besagen Gebeine nichts weiter, als dass es Gebeine eines Menschen sind, der zu jener Zeit lebte. Und der Name Jesus war damals ungefähr so häufig wie mein Vorname im Jahrzehnt meiner Geburt

Glauben entfalten und wieder zusammenfinden – Zu einem Leporello und dem Apostolischen Glaubensbekenntnis – Am Reformationstag 2017 (Pfr. M. Neugber)

Um Jesu Willen von Gott geliebte Gemeinde,
Gnade sei mit euch als Gemeinschaft des Heiligen Geistes.
Amen.

Dies Leporello muss man entfalten. Dann zeigen sich 12 Kirchenfenster nebeneinander, welche die 12 Apostel Jesu darstellen. 12 Apostel, 12 unterschiedliche Charaktere, 12 einmalige Menschen, die ganz unterschiedlich und persönlich entfaltet haben, was sie mit Jesus erlebt haben, und durch ihn neu von erfahren haben. 12 – eine bunte Schar, die Jesus berufen hat als Symbol für das Volk Gottes, das Zukunft haben soll. Als Volk Israel und darum herum Menschen aus aller Welt – wie er versprach: Seht, ich gehe euch voran…

Lukas malt uns in seiner Apostelgeschichte das Bild von der einen Urgemeinde in Jerusalem aus. Doch zwischen den Zeilen seines Buches lässt sich erkennen: Es gab von Anfang an sehr unterschiedliche Urgemeinden, eine bunte Schar von Kirchen in Judäa, in Galiläa, im vorderen Orient.
Spätere Erzählungen überliefern, wie die Apostel als Einzelpersönlichkeiten ihren Weg in alle möglichen Länder der Welt gefunden haben. Thomas zum Beispiel soll bis nach Indien und möglicherweise noch weiter gekommen sein.
12 Apostel stehen sie für ganz unterschiedliche Weisen, Christ zu sein, Kirche zu bilden und die Form von Kirche zu denken.
Petrus etwa wird von der römisch-katholischen Kirche in Anspruch genommen, Thomas von den einstmals zahlreichen Thomaschristen in Südwestindien. Der, der hier nicht vorkommt, weil er erst später dazu kam, Paulus, von den evangelischen Kirchen. Aber eigentlich dachte Paulus sehr hierarchisch: Gott – Jesus – Paulus – Gemeinde. Also eher römisch-katholisch; zugleich aber betonte er das Wirken des Heiligen Geistes in der Gemeinde, d.h., pfingstliche Freikirchen könnten ihn auch für sich reklamieren.
Ich finde also in den 12 Aposteln sämtliche Formen wieder, wie Christentum sich zeigen kann. Gemeinden und Kirchen können sich so unterschiedlich zeigen, dass aus der Sorge, Jesu Christi Auftrag nicht gerecht werden zu können, diese Formen als Konfessionen sich gegenseitig den rechten Glauben und damit das Existenzrecht absprachen.
Die Sorge habe ich nicht. Denn hinter den Aposteln steht das Fundament, so, wie die eine Sonne diese 12 durchleuchtet. Das ist Jesus, wie er uns bezeugt wird in der Vielgestalt der Schriften des Neuen Testaments, und der eine Gott, wie er sich bezeugt in der Vielgestalt der Schriften des Alten Testaments .
Jesu Gebet um die Einheit trägt uns, Jesu Kreuz versöhnt uns – und dieser Weg zur Versöhnung und Einheit beginnt mit der Vielgestalt in der jungen Christenheit.

So gab es in den frühen Christentümern auch unterschiedliche Weisen, zu taufen. Etwa im 4. Jahrhundert beschlossen sie, gegenseitig die eine Taufe anzuerkennen. Ein ökumenischer Meilenstein.
In jener Zeit entstand der Vorläufer des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, dessen Worte verteilt unter den 12 stehen.

Denn das apostolische Glaubensbekenntnis wurzelt in der Taufpraxis der Kirche des Westens. Nach einem Jahr Taufunterricht, nach dem vorösterlichen Fasten als Vorbereitung, wurde der Täufling, der schon bis zum Hals im Wasser stand, vor seiner Taufe gefragt:
Glaubst du an Gott, den allmächtigen…
Glaubst du an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn…
Glaubst du an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche…
Dreimal Ja, ich glaube,
und dann folgte die Taufe im Namen des dreieinigen Gottes, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Später entstand aus diesen Fragen der Text als Glaubensbekenntnis und entwickelte sich zum Taufbekenntnis in der Westkirche. Von da haben evangelische Kirchen es übernommen als Teil der Liturgie.
Katholische Schwestern und Brüder machen sich bewusst, dass sie als Getaufte an der Messe teilnehmen, in dem sie sich mit Wasser aus dem Weihwasserbecken bekreuzigen. Evangelische tun dies mit diesen Worten. D.h., eigentlich müssten wir Protestanten diese Worte gleich am Anfang des Gottesdienstes sprechen.

Alte Worte, nicht vom Himmel gefallen, Worte, die auf die Zeit der Apostel verweisen und zugleich auf die Taufe jedes Zeitgenossen, Menschenworte mehr nicht. Weniger nicht.
Denn Gott selbst hat es gewagt und wagt es immer noch, in ganz bestimmten menschlichen Denkarten, Sprechweisen und kulturellen Zusammenhängen zur Sprache zu kommen. Das Alte Testament ist eigentlich hebräisch, die Denkweise jüdisch und die Kultur altorientalisch. Jesus sprach aramäisch, vermutlich auch Latein und griechisch, seine Kultur war jüdisch und zugleich griechisch-lateinisch, antik geprägt halt. Unsere Kirchen hier in Westeuropa sind immer noch geprägt von der Geschichte und von griechischer Philosophie, wenn inzwischen auch von vielem anderem mehr. Die Ostkirchen sind wieder anders geprägt, nochmal anders die Kirchen in Afrika und Asien und dem fernen Osten und so weiter und so fort.

Wir stehen vor der gleichen Aufgabe wie die Christen der ersten 4 Jahrhunderte: Wir dürfen von je besonderen Erfahrungen mit Gott, mit Jesus, mit dem Heiligen Geist ausgehen. Darüber müssen wir uns austauschen. Mit Gottes Hilfe mögen wir zu einer gemeinsamen Sprache finden und entdecken, was uns bei aller Unterschiedlichkeit verbindet.
Wie schwer das ist, zeigen die Gespräche der unterschiedlichen evangelischen Konfessionen und dann auch der unterschiedlichen Großkonfessionen Ostkirchen – römisch-katholische Kirche – Altkatholische Kirche – Protestantische Kirchen – und dann wären da noch die vielen Freikirchen und Pfingstkirchen. Und jährlich entstehen neue.

500 Jahre Reformation heißt für mich, auch zu bedenken: Seit 2000 Jahren befinden sich Christen auf dem Weg zu einer Kirche, die einmütig Jesus als Christus bezeugt. Seit 2000 Jahren müssen sie sich immer neu auf eine gemeinsame Sprache verständigen, ohne sich mit ihren besonderen Erfahrungen und Begabungen verbiegen zu müssen. Auf dem Weg fragen sie immer neu, und das wäre gut reformatorisch:
Was glauben wir eigentlich gemeinsam?
Darum fragen Christen nach dem gemeinsamen Ursprung – also nach dem, was Jesus durch die ersten Apostel Jesus begründete und Gott ins Leben rief.

Re-Formation – und das heißt zunächst nicht unbedingt, alte Formeln nachzubeten oder gar sich um die Ohren zu schlagen.
Auch die alten Worte des Glaubensbekenntnisses empfinde ich eher als gute Fragen:
Wie hast du Gott erlebt?
Welche Erfahrungen hast du mit Jesus gesammelt?
Wie würdest du von den Momenten im Leben erzählen, von denen du sagen kannst: Hier habe ich in meinem Leben einen neuen, guten, heilsamen Geist gespürt?
Alte Worte, die ja einmal ganz neue Worte waren, ermuntern, dass auch wir in unserer Sprache über unsere Glaubenserfahrungen sprechen. Und auf Augenhöhe das Verbindende entdecken und für wahr nehmen.
Das ist ein langwieriger und deswegen spannender Weg. Denn wir entdecken dabei: So weit entfernt voneinander sind wir gar nicht. Und warum soll es uns besser gehen als den ersten Christen? Die mussten diesen Weg ja auch beschreiten, ehe sie zu den Worten fanden, wie sie uns etwa im Apostolischen Glaubensbekenntnis begegnen.
So bin ich dankbar, dass seit etwa einem halben Jahrhundert Reformationsgedenken nicht mehr heißt: Mir san mir und ihr liegt falsch, sondern eine offene Tür geworden ist: Wir laden euch ein, mit uns uns darauf zu besinnen, wozu uns Gott um Jesu willen heute in dieser Welt eigentlich noch braucht.

Auf dem Weg dorthin sind dann jedoch die alten Worte eine große Hilfe.
Vor Jahren haben wir im Kollegenkreis bei einer Fortbildung versucht, mit moderner Sprache das zu formulieren, was wir gemeinsam glauben, und zwar so, dass es auch Nicht-Protestanten so sprechen könnten. Merkwürdigerweise kamen wir zu dem Ergebnis:
Irgendwie schon genial, was da unseren Mitchristen aus den ersten Jahrhunderten geglückt ist. Wir haben keine besseren Worte gefunden.
Diese alten Worte sind eine gute Basis, die uns die Freiheit geben, das zu entfalten, was wir glauben – und zugleich sind sie ein Geschenk: wir können miteinander sprechen und beten, was uns eint.

Da wären z.B. die Worte:
„Empfangen durch den Heiligen Geist – geboren von der Jungfrau Maria.“
Wir bezeugen mit diesen Worten, dass auf dem Weg der wirklichen Menschwerdung des Menschen Gott einen Neuanfang gesetzt hat. Er selbst wurde Mensch, konkret mitten in der Welt, mitten in seinem Volk, mitten am Rand jeglicher Machtzentren, mitten in der Nacht – mitten in einer Jüdin.
„Also, nach 9 Monaten Schwangerschaft wurde da mal irgendwie irgend so ein Kind irgendwie geboren“
Nein, diese wunderbare Weise, wie Gott sein Leben für uns riskiert, und darum Jesus für uns nicht irgendwer ist, muss sprachlich besonders, sachlich und poetisch zugleich, ausgedrückt werden. Darum ist Jesu Mutter besonders zu würdigen, weil Gott ohne sie nicht handeln wollte.
Das wäre nun meine typisch protestantische Deutung. Die katholische ist anders, die der Ostkirche wieder anders – und gemeinsam sprechen wir:
Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria.

Ähnlich dann die heilige katholische Kirche:
In den evangelischen Kirchen hat man da katholisch gestrichen und durch christlich ersetzt.
Mir tut das weh. Das Christlich ist an dieser Stelle nichtssagend. Katholisch heißt: Wir bekennen uns als Christen rund um den Globus zueinander. Es ist der Auftrag zur Ökumene der Christen in dieser einen Welt für diese eine Welt. Kirchen sind kein Selbstzweck. Kirchen haben einen Auftrag, für Gott und mit Jesus etwas Heilsames in der Welt zu wirken. Sie gehören Gott – und Gott ist einer. Darum sind Kirchen verpflichtet, zusammen zu finden, wie auch immer das dann aussieht. Es kann und darf kein Gegeneinander von Christen geben, sondern ein miteinander – auch wenn es geschichtlich gewachsene Organisationen gibt. Selbstzufrieden sich zurückzulehnen „Mir san mir“ – das funktioniert eben nicht.
Wenn Gottes Geist wirkt, dann führt er zusammen und färbt zugleich lebensfroh bunt ein.
Das ist meine Sicht.
Und deine, lieber Bruder Bernd? Vermutlich anders, schon ganz persönlich und von Priesteramts wegen erst recht. Das wäre auch gut so. Denn 500 Jahre Reformation bedeutet auch: 500 Jahre Reformationen auch in der römisch-katholischen Kirche. Und hoffentlich 500 Jahre gemeinsame Reformationen der Kirchen in dieser Welt. Ich empfinde es, gerade weil die evangelischen Kirchen so provinziell aufgestellt sind, als heilsamen Impuls, dass es ein Papstamt in Rom oder in der koptischen Kirche oder in den Ostkirchen gibt. Denn wir müssen uns schon fragen lassen, wie wir bei aller protestantischen Farbenfrohheit der Weltöffentlichkeit deutlich machen: Wir bezeugen mit allen Christen den einen Gott für alle Geschöpfe, der Gott, der sich in einem Christus Jesus allen mitteilt.

So lädt dies Leporello, die Erinnerung an die 12 Apostel und das Glaubensbekenntnis ein, Glauben und Christsein je besonders zu entfalten, und zugleich zu gemeinsamer Sprache zu finden, weil uns von den frühen Christen gemeinsame Worte geschenkt wurden.
Reformation – ein Glaubensweg, wo man sich trifft.
Es ist fast mathematisch:
Parallelen sind Geraden, die sich im Unendlichen treffen.
Christengemeinschaften sind Glaubenswege, die sich im Ewig Lebendigen, also in Jesus Christus treffen.
So wie heute. Hier. Lasst uns nun dieses Glaubensbekenntnis miteinander sprechen. Amen.

(Gepredigt von Pfr. Michael Neugber am 31.10.2017 im ökumenischen Gottesdienst in St. Bardo Petterweil)

(Der Text bezieht sich auf das Apostel-Leporello „Ich glaube“ von https://shop.gottesdienstinstitut.org/catalogsearch/result/?q=Leporello)