Gedanken zu „Trinitatis“ 2020

Vor allem seit der Aufklärung gibt es das Bild: Ein Dreieck mit einem Auge darin, umgeben von einem Strahlenkranz. Ein Symbol für Gott als „Vater“, „Sohn“ und „Heiliger Geist“. Heilige Dreifaltigkeit oder Dreieinigkeit mit allen Gedankenkonstruktionen dazu (ein Gott in drei Personen und so weiter).

Dazu wurde dann ein Feiertag erfunden, der erste Sonntag nach Pfingsten: Trinitatis. Und die ganze Zeit des Kirchenjahres heißt nun so: „Nach Trinitaitis“.

Ich bin vielleicht ein wenig altmodisch. Ich kann damit zunehmend wenig anfangen.

Ich liebäugele damit, die Zeit Pfingstzeit zu nennen: Der Gott, der in Jesus seine versöhnende, mitmenschliche Seite gezeigt hat, der inspiriert Menschen, dies zu bezeugen in Wort und Tat. „Offene Kirche“ geschieht immer neu, ein Raum, der Menschen beflügelt, es wie Gott zu machen: Mensch, wirklich Mensch zu werden und achtsam in dieser Schöpfung auf gute Zukunft hin zu wirken. Das allein ist ein großes Programm zwischen der Überheblichkeit, die Welt retten zu wollen und dem Kleinmut, angeblich „fromm“ nur beschaulich-private Innerlichkeit zu pflegen.

Darum soviele Sonntage, in der der ganzen Bandbreite von „Glaube, lieben und hoffen“ von A wie „Anfang der Bibel“ bis Z „Zum guten Schluss“ nachgedacht wird.

Schon am Anfang der Bibel wird von Gott ganz unbefangen als „Schöpfer“ geredet, der wie ein Landschaftsplaner aus Chaos Lebensraum wirkt.

Ganz unbefangen wird von ihm als „Geist“ gesprochen: Gott inspiriert den Kosmos mit sich selbst und dann wird die Welt, wie sie gut werden soll für alle. Mitten drin der Mensch, jedermann und –frau gleichermaßen berufen, im Auftrag des Höchsten Welt nachhaltig und im Sinne einer großen, universellen Liebe zu allem zu gestalten.

Und so erzählen die biblischen Texte und Geschichten von vielfältigen Gotteserfahrungen: Gott nicht nur als Geist, der Menschen ergreift, durchdringt, der wie eine Lebenskraft jedes Leben durchdringt und beseelst, sondern Gott als Hirte, als König, als Mutter, als Vater, als Engel und so weiter.

Mittendrin stellt sich Gott vor: „Ich bin, der ich bin. So hört, wie erzählt wird, Mose es aus einem brennenden Dornbusch. „Ich bin“ klingt im Deutschen (und in jeder indo-europäischen Sprache) statisch. So dachte man es sich auch: Gott als unbewegter Allesbeweger hinter allem.

Im Hebräischen hat das eine andere Klangfarbe, eher wie:“Ich geschehe, als der ich geschehe.“

Gott ist in sich bewegt, er bewegt sich auf diese Welt zu, auf die Menschen, auf ein Volk, er ist bewegt dabei, und so wird unbefangen von dem Gott erzählt, der zornig ist und froh, enttäuscht und barmherzig…

Der Schweizer Lyriker und Theologe Kurt Marti hat von Gott als „geselliger Gottheit“ gesprochen.

In sich ist Gott beziehungsreich, in Bewegung, und geht so aus sich heraus.

Um bei sich zu bleiben.

Ich vergleiche das (als Bild! Nicht als Beweis!) zum einen mit mir selbst, zum anderen mit den Grundbausteinen unserer Welt.
Mit mir selbst: Der Philosoph Precht hat ein Buch geschrieben: „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“

Ich „bin“ nicht so ODER so, mein Leben geschieht in Beziehung zu meinen Erfahrungen, zu anderen, zu mir gehören die Rollen, die ich einnehme in Beruf, Familie, Einsamkeit und so weiter. Ich „bin“ nicht am Leben“, sondern ich lebe beziehungsreich, schon in mir selbst. Selbst beim Atmen, Essen, Trinken lebe ich Beziehung zu anderem und anderen, täte ich es nicht, dann erst wäre ich ein „Sein“ – nämlich tot.

Und wiederum habe ich gelernt von moderner Physik: Die Grundbausteine unsere Welt „sind“ nicht einfach Atome oder noch kleinere „unteilbare“ Bausteine. Die Grundbausteine unsere Welt sind beziehungsreiche Ereignisse. Unsere Welt ist nicht, sie geschieht. Und alles geschieht beziehungsreich, sogar Raum und Zeit.

Menschen erleben also eine gute oder schlechte Beziehung zu Gott, er erscheint fern oder nah, allem über oder ganz tief in einem selbst als Quelle von Lebensurvertrauen noch in tiefster Lebenslage. Und es tut gut, auch diese Beziehung zu pflegen und auf sie gefasst zu sein, weil beziehungsreiches Leben nicht zementiert werden kann. Es ereignet sich.

Wie es sich ereignet.

Darum ist es gut, Gott nicht auf ein Bild festzulegen. Darum gefällt mir, wie unbefangen die Bibel viele Bilder nutzt und viele Erfahrungen mit Gott einfach weiter reicht als Hilfe, eigene Lebenserfahrungen zu deuten.

Mittendrin eben der Gott, der sagt“ Ich ereigne mich als der, als der ich mich ereigne“ – und die Erfahrung: Genau dieser Gott inspiriert nicht nur irgendwie die Welt – sondern manchmal sogar mich höchstpersönlich. Und dafür steht „Heiliger Geist“
Und schließlich „Sohn“.

Menschen haben mit und bei Jesus eine neue Gottesbeziehung erlebt und damit auch eine neue, heilvolle Beziehung zur Welt, zu sich selbst, zu anderen und zur Zukunft.

Der Mensch Jesus steht für sie in einer unnachahmlichen Beziehung zu Gott. Und umgekehrt. Für diese Beziehung übernahmen sie aus der Bibel den Begriff „Sohn“. Eigentlich sind alle Menschen (zumindest um Gottes Willen) in guter Beziehung zu Gott und damit zum Leben. Also alles Söhne und Töchter Gottes. Eigentlich. Und Jesus tatsächlich. Darum „Der“ Sohn. Zuhöchst von Gott inspiriert und zugleich zutiefst Mensch.
Das hat später zu den tollsten Gedankenkonstruktionen geführt.
Tatsächlich gab es im frühen Christentum die Anfrage: Was denn nun: EIN Gott und ihr verehrt noch so was wie „Heiliger Geist“ und „Jesus“? Denn die ersten Christen erzählten völlig unbefangen von ihrer Erfahrung der Nähe Gottes, und wie sie lebten im Namen Gottes: Vater, Sohn, Heiliger Geist…

Glaubt ihr nun viele Götter, oder nur einen und wie verhalten sich dann Geist und Jesus zueinander und zu Gott…

Christen griffen zurück auf Bilder (!) aus dem Theaterwesen, um ihre Erfahrung möglichst plausibel zu erklären:
Im antiken Theater spielte eine Schauspielerin immer mehrere Rollen. Für jede Rolle gab es eine Maske, die dann aufgesetzt wurde. So erklang die Stimme der sprechenden Person durch diese Maske hindurch. Viele Masken – eine Person. Denn die Maske hieß „Persona“: Das, wo durch es hindurch tönt.
So stellen wir uns es vor: Durch die Erfahrungen mit Gott als Schöpfer (Hirte, Vater, König usw.), als „Heiliger Geist“ (das, was uns zutiefst inspiriert und beseelt) und als „Mensch Jesus“ (der in bester Beziehung zu Gott uns ein neues gutes Verhältnis vermittelt) ertönt die Stimme des Gottes, der uns alle so unbedingt liebt und darum darauf wartet, dass Menschen in aller Freiheit dies annehmen. Also Ein Gott – drei „Personen“. Nur drei? Jedenfalls diese drei, und wenn man es genau bedenkt, ist das schon viel. Denn es sind ja nicht drei feste Bausteine, sondern jedes für sich wieder sehr beziehungsreich und – gesellig.
Das wäre ein zweites: Mit diesem „Der Eine durch Drei hindurch als der Gott für uns“ zeigt damit, dass er eben nicht statisch eins ist, sondern beziehungsreich geschieht. Und somit auch sein Wesen als Liebe auf diese Welt bezieht. Und darin geschieht.
Das andere: Drei „Personen“ als „Ein Gott“ sprengt jeden Versuch, sich selbst, andere und gar Gott auf ein Bild von Gott fest zu legen.
Viele Bilder sind nötig, um unsere Beziehungen zu Gott in Worte zu bringen, und wir gehen immer neu von drei „Urbildern“ aus: Gott-Vater (und Mutter), „Sohn“, „Heiliger Geist“.

Ich kann mit Trinitatis als Sonntag weniger anfangen und plädierte für die Bezeichnung „Pfingstzeit. Darin kann ich tatsächlich ganz unbefangen von „Gott, „Sohn“ und „Heiliger Geist“ reden und jeden Gottesdienst damit eröffnen (sie wissen: Im Namen Gottes, Vater, Sohn und Heiliger Geist.)

Ich habe tiefsten Respekt vor all den tiefsinnigen Gedanken, die zum Thema „Dreieinigkeit“ gemacht wurden. Zugleich ahne ich, dass all das darauf hinweist, wie beziehungsreicher und „bunter“ Gott zu uns ist als all die Bilder, die wir von ihm haben. Und Jesus diese Beziehung neu gründet und geistreich allerwelt Menschen inspiriert – oder Gott uns mit Jesu Menschlichkeit oder sein Geist mit seiner Liebe zu ihm oder…

Es ist wie das Leben überhaupt.

Es „ist“?

ER geschieht wie du und ich und alle anderen: Leben überhaupt.