Die Opferung Isaaks – und was opfern wir gerade?

Am vergangenen Sonntag wäre als Lesung aus dem Alten Testament einer der abgründigsten Geschichten dran gewesen, die sogenannte „Opferung Isaaks“, nun in der revidierten Luther-Übersetzung auch „Das Opfer Abrahams“ genannt.
Isaak: Der lang ersehnte und verheißene gemeinsame Sohn von Abraham und Sara, ihr einziges gemeinsames Kind.
Und die Geschichte aus 1. Mose 22:

1 Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich. 2 Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde.
3 Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte. 4 Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne. 5 Und Abraham sprach zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen.
6 Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die beiden miteinander. 7 Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer? 8 Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander.
9 Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz 10 und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete.
11 Da rief ihn der Engel des HERRN vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. 12 Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen.
13 Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich im Gestrüpp mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt. 14 Und Abraham nannte die Stätte „Der HERR sieht“. Daher man noch heute sagt: Auf dem Berge, da der HERR sich sehen lässt.
15 Und der Engel des HERRN rief Abraham abermals vom Himmel her 16 und sprach: Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der HERR: Weil du solches getan hast und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont, 17 will ich dich segnen und deine Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel und wie den Sand am Ufer des Meeres, und deine Nachkommen sollen die Tore ihrer Feinde besitzen; 18 und durch deine Nachkommen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden, weil du meiner Stimme gehorcht hast.
19 So kehrte Abraham zurück zu seinen Knechten. Und sie machten sich auf und zogen miteinander nach Beerscheba und Abraham blieb daselbst.

Diese Geschichte ist abgründig und enthält viele Ebenen, über Gott und wer er ist und wer er wirklich ist, nach zu denken und was heißt hier eigentlich: auf Gott hören?
Und wie fast immer gibt es in der Bibel dazu eine Gegengeschichte, sie steht im Buch der sogenannten Richter: Der israelitische Stammesführer Jeftah steht mit dem Rücken an der Wand, die Ammoniter haben etwas dagegen, dass er und sein Volk in Frieden existieren kann.
Und da wird nun erzählt:

Ri 11,30-40
30 Und Jeftah gelobte dem HERRN ein Gelübde und sprach: Gibst du die Ammoniter in meine Hand, 31 so soll, was mir aus meiner Haustür entgegengeht, wenn ich von den Ammonitern heil zurückkomme, dem HERRN gehören, und ich will’s als Brandopfer darbringen. 32 So zog Jeftah gegen die Ammoniter in den Kampf. Und der HERR gab sie in seine Hand. 33 Und er schlug sie mit gewaltigen Schlägen von Aroër an bis hin nach Minnit, zwanzig Städte, und bis nach Abel-Keramim. So wurden die Ammoniter gedemütigt vor den Israeliten.
34 Als nun Jeftah nach Mizpa zu seinem Hause kam, siehe, da geht seine Tochter heraus ihm entgegen mit Pauken im Reigen. Sie war sein einziges Kind, und er hatte sonst keinen Sohn und keine Tochter. 35 Und als er sie sah, zerriss er seine Kleider und sprach: Ach, meine Tochter, wie beugst du mich und betrübst mich! Denn ich habe meinen Mund aufgetan vor dem HERRN und kann’s nicht widerrufen. 36 Sie aber sprach: Mein Vater, hast du deinen Mund aufgetan vor dem HERRN, so tu mit mir, wie dein Mund geredet hat, nachdem der HERR dich gerächt hat an deinen Feinden, den Ammonitern.
37 Und sie sprach zu ihrem Vater: Du wollest mir das gewähren: Lass mir zwei Monate, dass ich hingehe auf die Berge und meine Jungfrauschaft beweine mit meinen Gespielinnen. 38 Er sprach: Geh hin!, und ließ sie zwei Monate gehen. Da ging sie hin mit ihren Gespielinnen und beweinte ihre Jungfrauschaft auf den Bergen. 39 Und nach zwei Monaten kam sie zurück zu ihrem Vater. Und er tat ihr, wie er gelobt hatte, und sie hatte nie einen Mann erkannt. Und es ward Brauch in Israel, 40 dass die Töchter Israel jährlich hingehen, zu klagen um die Tochter Jeftahs, des Gileaditers, vier Tage im Jahr.

Hier steht ein Mensch zu seinem Wort vor Gott.
Mit tödlichen Folgen für sein Kind.
Kein Ersatzopfer…

Die Geschichte von Abraham zusammen mit dieser lässt unter vielem mich fragen: Welches Bild mache ich mir von Gott, was halte ich für sein Gebot?
Und die Bibel selber gibt als Auskunft: Nicht alles, was als Wort Gottes daherkommt, muss auch wirklich Gottes Wort sein. Und nicht alles, was Menschen vor Gott geloben, geht auch zu Gott. Vieles eher zum Teufel.

D.h., letzlich muss man ein bibelwort, und darin besonders die ausdrücklich als Gottes Wort gekennzeichneten Stellen (dazu gehören auch Engelworte und anderes) immer im Kontext lesen, und der Kontext ist gewaltig: Die ganze Bibel. Die ganze Entwicklung im hin und her und vor und zurück, was Gott denn wirklich will, wie er ist, und was er uns als Leben gebietet. So gehört zu dieser Geschichte dann auch die Geschichte Jesu, nicht als Antwort, sondern als Kontext. Besonders die Leidensgeschichte.

Nun fragen wir heute weniger nach Gottes Stimme, die uns leiten könnte in bedrängenden, auch ethischen Fragen (z.B.: Wer soll bei Krankenhausüberbelegung vorrangig behandelt werden, wer ist nicht mehr behandlungswürdig?).
Wir fragen nach der Stimme der Vernunft. Und ich befürchte, da ist es nicht viel anders. Nicht überall, wo Vernunft draufsteht, ist auch welche drin.
Die Vernunft erfordert zur Zeit nicht nur unsere Solidarität neu, sondern auch unsere Freiheit: Da wird viel geopfert. Und inzwischen wird darüber nachgedacht, dass wir zwangsweise freiwillig uns orten lassen. Handy macht‘s möglich (wobei: Die Freiheit, unerkannt und frei uns zu bewegen, haben wir ja schon aufgegeben: Google und Facebook und so weiter wissen Bescheid!).
Was opfern wir derzeit auf dem Altar der Vernunft? Was auf dem der Bequemlichkeit? Was auf dem Alter der Sorge um unser Wohlergehen? Der Gesundheit? Und so weiter… Zur Zeit geht es um die Opferung von Grundwerten, um Regeln des Grundgesetzes…
Und es ist nicht einfach, die Stimme der wahren Vernunft zu hören, sie dann auch zu befolgen. Zumal eine herzlose, kalte Vernunft gnadenlos Opfer fordert. Weisheit hingegen setzt herzlichen Vernunftgebrauch voraus.
Diese abgründigen Bibelstellen (und es gibt noch mehr davon) fordern heraus zur kritischen Frage: Was ist denn nun die wahre Stimme Gottes? Was ist wirklich wahrhaftig in meinem Leben, meinen Tun und Handeln und Sein und Lassen?
Wenn ich das schon bei Gottes Worten fragen darf – dann wohl erst recht bei allem, was scheinbar menschenvernünftig daherkommt.
Vielleicht ist die erste Stimme der Vernunft einfach – die kritische Frage: Ist das wirklich so? Wem nützt es? Wer und was wird geopfert? Und was, wenn diese Opfer keine sein dürfen?
Die biblische Geschichte stellt Fragen. Und vielleicht ist genau das gut so.
Ich denke mir, genau hier reichen sich alle Wissenschaften die Hand: Die Naturwissenschaft incl. der Naturphilosophie, die Geisteswissenschaften incl. der Theologie, die Gesellschaftswissenschaften incl. Politik und Ethik, die Erziehungswissenschaften incl. der Erziehung von Kindern zu fragenden Wesen und so weiter.

Beispiel: wir haben da bis in die Rechtsprechung (Erbrecht z.B.) hinein so unsere Vorstellung von Vaterschaft und Mutterschaft und Familie.
Muss das wirklich unbedingt so sein? Ich habe von einem Volk aus Südostasien gehört, da ist die leibliche, also genetische Vaterschaft und Mutterschaft eine Sache der reinen Fortpflanzung. Aber Vater / Mutter ist für ein Kind der, der sich ums Kind kümmert. Und das können andere Mitglieder der Gemeinschaft sein. Da ist das anders geregelt. Und so frage ich: Was wäre, wenn wir auch die Kinder, die nicht unsere sind, als die unseren betrachten? Und ebenso das Wohlergehen der „Alten“ als unsere gemeinsame Aufgabe? Und leibliche / genetische Zusammenhänge als sekundär betrachten? Wäre es nicht „menschlicher“? Löwen bringen wg. der genetischen Vaterschaft ja fremde Löwenkinder um…
Und noch einmal Abrahams Geschichte: Da war sein erster Sohn, Ismael.
Galt der nichts?
Immerhin heißt der „Gott hat erhört“.

Auf dem Weg zu Palmsonntag 2020 – Gedankensplitter zu den biblischen Texten II

Jedem Sonntag sind ein Psalm, ein Abschnitt aus den Evangelien als Evangelium zum Sonntag, ein Abschnitt aus dem Ersten Testament (früher „Altes Testament“), ein Abschnitt aus einem der neutestamentlichen Briefe und noch drei weitere Bibeltexte zugeordnet.

„Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen
noch tritt auf den Weg der Sünder
noch sitzt, wo die Spötter sitzen
sondern hat Lust am Gesetz des HERRN
und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht!“

So beginnt der erste aller Psalmen. Er ist relativ kurz. Lang und breit besingt Ps. 119 die Freude daran, den Weisungen Gottes nachzudenken und sie zu beherzigen. Die biblischen Bücher der Weisheit, gut zu leben, entfalten dies weiter. Ihr Bild von Gott: Gott ist nun nichtmehr der mythische Himmelsherrscher, der mehr oder weniger willkürlich in das Geschick der Menschen eingreift, und sei es noch so lieb gemeint. Gott ist derjenige, der sich mit seinem Geist eingebracht hat in diese Welt. Der seine Weisheit kundtut, entweder durch Gebote, durch Erfahrungen von Menschen, was gut ist und was nicht oder – in dem Menschen mit hellem Verstand zu erforschen suchen, was wirklich wahr ist, wahrhaftig, wahres Leben. Und da hat keiner die Wahrheit gepachtet (weil er dann Gott ganz für sich vereinnahmen würde), sondern alle sind auf der Suche, mit ganzem Verstand, ganzer Seele, mit Lieb und Leben.
Es geht um fundiertes Wissen, wie alles zusammen hängt – und alles ist aufeinander zu geordnet – und wie aus diesem Wissen die Weisheit wird, so zu leben, dass es auch dem Mitmensch gut tut.
Auf Dauer.

Im Buch Jesaja findet man die sogenannten Lieder vom Knecht Gottes. Dieser Knecht Gottes mag ein einzelner gewesen sein oder eine Gruppe, gar eine ganze Religionsgemeinschaft, im Falle Jesajas Israel.
Wir denken auch an den Knecht Gottes Jesus.
Auf jeden Fall hat so ein Knecht Gottes sich darauf spezialisiert, über Gottes Weisheit, Güte, Wille mit ganzem Herzen voller Vernunft nach zu denken. Und erlebt, wie er Dinge laut sagen muss, anfragen hat an seine Umgebung – und damit auf heftigen Widerstand stößt.
In Jesaja 50 finden sich diese Worte von ihm:
Jes 50,4-9
4 Gott der HERR hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Er weckt mich alle Morgen; er weckt mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören. 5 Gott der HERR hat mir das Ohr geöffnet. Und ich bin nicht ungehorsam und weiche nicht zurück. 6 Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel.
7 Aber Gott der HERR hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. Darum hab ich mein Angesicht hart gemacht wie einen Kieselstein; denn ich weiß, dass ich nicht zuschanden werde. 8 Er ist nahe, der mich gerecht spricht; wer will mit mir rechten? Lasst uns zusammen vortreten! Wer will mein Recht anfechten? Der komme her zu mir! 9 Siehe, Gott der HERR hilft mir; wer will mich verdammen? Siehe, sie alle werden wie ein Kleid zerfallen, Motten werden sie fressen.

Es gab sie auch schon in Vorelektronischen Zeiten: Haß-, Droh- und Mordbotschaften.
Aus anderen Stellen im Jesajabuch, aber auch von anderen Propheten wie Amos oder Jeremia erahnt man, was der Knecht laut gesagt haben muss und weswegen er so aneckte. Er hielt seiner Gesellschaft einen Spiegel vor, ich gebe es mal konzentriert mit meinen Worten wider, ein wenig globalisiert: Mit eurer Lebensweise, die immer auf Kosten der vom Leben Benachteiligten geht und sogar auf Kosten der Schöpfung, seid ihr Gott los. Gerade da, wo ihr meint, Gott zu ehren, tretet ihr seine Weisheit des Lebens mit Füßen. Ihr könnt euch eure Gottesbilder gerade mal sonst wo hin stecken, Gott wird einen Teufel tun – und euch gottlos lassen. Denn ihr seid mit eurem Verhalten keine Menschen mehr, sondern bestenfalls Tiere, die dem Gesetzt von Werden und Vergehen unterliegen. Ihr habt eure Zukunftsberechtigung verspielt – fertig machen zum Untergang! Es walte das gnadenlose Gesetz der Natur und ihrer Geschichte. Das Anthropozän ist hiermit beendet.
Doch es könnte weitergehen: Wenn ihr endlich lernt, solidarisch zu leben, wenn ihr begreift, dass das schwächste Glied in einer Gesellschaft dasjenige ist, um das sich alle sorgen müssen, dem sich alle annehmen müssen, wenn ihr begreift, dass nur mit wirklich menschlichem Verhalten der Mensch als Wesen seine Daseinsberechtigung hat.
Und weswegen es zur Weisheit Gottes in dieser Welt gehört, dass jeder Mensch eine unverlierbare, unbedingt schützenswerte und achtenswerte würde hat. Unabhängig von seinen Taten oder Untaten, seinem Verhalten oder Missverhalten, seinem Wohlergehen oder seinem Schicksal. Dass Gottes Weisheit ein Wissen um das ist, was Fremde, vom Leben Geschädigte (damals Waisen und Witwen und Privatinsolvente), aber auch das ausgenutzte Vieh und ausgelaugte Böden brauchen. Weswegen Gott deren Anwalt ist, der eure Solidarität einklagt – und darum euer Wirtschaften, euren Lebenstil, euer „Weiter so“ massiv hinterfragt.

Der Knecht Gottes sucht Wahrheit, ein Produkt aus nüchternem Wissen um die Dinge und herzlicher Weisheit und sucht damit die Auseinandersetzung. Er ringt um die Zukunft seiner Mitwelt. Er rüstet sich: Dieses ringen wird ein harter Kampf.

Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Wenn denn hie und da Knechte solcher Weisheit (und damit Gottes) auftreten.
Sie werden schnell abserviert. Erinnert sich noch wer an Heiner Geisler (der immerhin altersweise wurde)? Von der Leyen (man mag ihr Handeln als Ministerin kritisch betrachten) hat es auf den Punkt gebracht: Die schönste neu entdeckte Solidarität in den einzelnen Ländern nutzt nichts – wenn die Solidarität in Europa schon vor die Hunde gegangen ist.
Und so sieht es aus.
Es bleibt eine offene Frage, und jeden Diskurs wert:
Sind wir in der Lage, dass, was Menschen hierzulande kreativ solidarisch einbringen, umzusetzen auf unser Miteinander, nur mal in Europa? Griechenland etc. nicht mehr alleine zu lassen in Fragen der Menschenrechte und menschenwürdigen Behandlung von Geflüchteten? Sind wir in der Lage, aus dem großgönnerhaften Rettungsschirm wirkliche Solidarität (und die kostet immer, besonders die Vermögenden, und da gibt es keinen Gegenwert – außer eben den der Solidarität) zu zeigen und d.h. auch rechtlich verbindlich fest zu schreiben?
Was übrigens inzwischen auch von Wirtschaftsweisen gefordert wird. Entweder gemeinsam alles oder in Zukunft krisenuntauglich und damit weg vom Fenster.
Wir können zur Zeit beobachten, wie der Himmel blau ist, die Luft rein, und überhaupt (von Toilettenpapier abgesehen) unsere Welt entlastet wird von des Menschen Konsum. Lernen wir, lernen wir? Reisen bildet, z.B., aber bildet leider auch schädliche Kondensstreifen. Lernen wir eine neue, besonnene Zurückhaltung? Entwickeln wir eine neue Idee für die wirtschaftliche Grundlage von unserem Leben in allen Bereichen?
Und so weiter…

Was das mit Gott zu tun hat?
Er liebt uns doch! Und er will mit uns Zukunft besser gestalten.
Damit wir wirklich lernen, wozu uns das Gesetz der Natur gerade zwingt.
Damit wir endlich lernen, wozu er selbst Mensch geworden ist.

Zu diesem Lernen gehört die ehrliche Auseinandersetzung. Der Knecht Gottes im Jesajabuch, Kapitel 50, klappt dafür das Visier runter. Ich würde mir wünschen, dieser Dialog begänne schon jetzt mit offenem Visier. Ein anderes Lied vom Knecht Gottes zeigt allerdings: Dafür muss man manchmal seine Haut zu Markte tragen.

Vielleicht liebe ich deswegen eine Nachdichtung dieser Bibelstelle aus der Feder Jochen Kleppers:

Er weckt mich alle Morgen,
er weckt mir selbst das Ohr.
Gott hält sich nicht verborgen,
führt mir den Tag empor,
dass ich mit seinem Worte
begrüß das neue Licht.
Schon an der Dämmrung Pforte
ist er mir nah und spricht.

Er spricht wie an dem Tage,
da er die Welt erschuf.
Da schweigen Angst und Klage;
nichts gilt mehr als sein Ruf.
Das Wort der ewgen Treue,
die Gott uns Menschen schwört,
erfahre ich aufs Neue
so, wie ein Jünger hört.

Er will, dass ich mich füge.
Ich gehe nicht zurück.
Hab nur in ihm Genüge,
in seinem Wort mein Glück.
Ich werde nicht zuschanden,
wenn ich nur ihn vernehm.
Gott löst mich aus den Banden.
Gott macht mich ihm genehm.

Er ist mir täglich nahe
und spricht mich selbst gerecht.
Was ich von ihm empfahe,
gibt sonst kein Herr dem Knecht.
Wie wohl hat’s hier der Sklave,
der Herr hält sich bereit,
dass er ihn aus dem Schlafe
zu seinem Dienst geleit.

Er will mich früh umhüllen
mit seinem Wort und Licht,
verheißen und erfüllen,
damit mir nichts gebricht;
will vollen Lohn mir zahlen,
fragt nicht, ob ich versag.
Sein Wort will helle strahlen,
wie dunkel auch der Tag.

Auf dem Weg zu Palmsonntag 2020 – Gedankensplitter zu den biblischen Texten I

Jedem Sonntag sind ein Psalm, ein Abschnitt aus den Evangelien als Evangelium zum Sonntag, ein Abschnitt aus dem Ersten Testament (früher „Altes Testament“), ein Abschnitt aus einem der neutestamentlichen Briefe und noch drei weitere Bibeltexte zugeordnet.

Der Psalm: Ps. 69 in Auswahl:

2 Gott, hilf mir!
Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle.
3 Ich versinke in tiefem Schlamm,
wo kein Grund ist;
ich bin in tiefe Wasser geraten,
und die Flut will mich ersäufen.
4 Ich habe mich müde geschrien,
mein Hals ist heiser.
Meine Augen sind trübe geworden,
weil ich so lange harren muss auf meinen Gott.
8 Denn um deinetwillen trage ich Schmach,
mein Angesicht ist voller Schande.
9 Ich bin fremd geworden meinen Brüdern
und unbekannt den Kindern meiner Mutter;
10 denn der Eifer um dein Haus hat mich gefressen,
und die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen.
14 Ich aber bete, HERR, zu dir zur Zeit der Gnade;
Gott, nach deiner großen Güte erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.
21 Ich warte, ob jemand Mitleid habe, aber da ist niemand,
und auf Tröster, aber ich finde keine.
22 Sie geben mir Galle zu essen
und Essig zu trinken für meinen Durst.
30 Ich aber bin elend und voller Schmerzen.
Gott, deine Hilfe schütze mich!

Der ganze Psalm ist lang, eine lange Klage. Auf Anhieb berührt er mich in der Lage, in der wir alle stecken. Ich brauche keinen Nostradamus, um zu denken: Aha, da hat einer die Erschütterung schon vorausgesagt, die zur Zeit die ganze Welt betrifft. Mir geht es bei Psalmen so: Plötzlich werden sie „mein“ Gebet.

In allem, was diesen Psalmbeter einst bewegt haben muss, und wo er mich bewegt, höre ich die tiefe Not der Isolation, der Einsamkeit, der Desintegration.
Plötzlich ist man wie abgeschnitten von allem, was das Leben „normal“ macht: Familiäre, berufliche, nachbarschaftliche und überhaut sonstige Beziehungen und Kontakte. Auch der zu Gott ist gestört.

Ich spreche die Worte nach und spreche sie, wird mir bewusst, auf einmal für die Menschen, die sowieso schon vom normalen Leben getrennt waren und nun noch mehr: Menschen in Altenheimen mit Demenz, Flüchtende, Obdachlose, Vereinsamte aus allerlei Gründen.
Ich denke an all die Bemühungen um Integration: Integrative Schulklassen, Kindergärten, Arbeitsstätten… An Menschen, die mühsam wieder ins Berufsleben reintegriert werden mussten.
Und nun?
Wie wird es sein, wenn die Lage sich beruhigt? Es wird nicht so sein wie früher,
auf einmal müssen viele von uns sich re-integrieren (lassen).

Und dann ist da die Hölle auf Erden: Da, wo medizinisches Personal plötzlich entscheiden muss, wer noch in die Intensivbehandlung darf und wer „aufgegeben“ werden muss.
Ich höre Ideen, wie bald nur noch Risikogruppen gleichsam in Quarantäne leben sollen – wer legt es fest?
Unbewusste „Hexenjagd“?

Ach Gott…
Ein tiefer Seufzer, eine Bitte um Reintegration.
Der Beter wendet sich in allem an Gott, sucht seinen seelischen Schutz.
Er will sich wiederfinden in seiner Würde.
Letztlich will er wieder wahrgenommen werden als Teil seiner Gesellschaft (Familie, Glaubensgenossen, Nachbarschaft, Kollegen und so weiter) und umgekehrt diese auch wieder erleben als ihm zugewandte Mitmenschen.
Hat er sie eigentlich wirklich als „feindlich“ erlebt, oder machte ihn seine Krankheit (seine Schmerzen) so misstrauisch?
Er will davon geheilt werden, auch wenn er krank bleibt.

Er lässt Gott nicht los, er behaftet ihn bei seinen Verheißungen.
Die Evangelisten „hörten“ dieses Sehnen aus Jesu Mund, aus dem, was er erlitt. Und deswegen wird geschildert, dass man als Jesu letzten Schluck Galle ihm zu trinken gab bzw. Essig… und dass er „Schmach“ trug, da ein Tod am Kreuz das schmachvollste war, was Römer anderen antaten. Wer am Kreuz hing, war ehrlos. Entwürdigt.

Wenn ich diese Worte bete, bete ich sie nicht nur für mich oder für jemand anderes in dieser Zeit – ich bete sie mit Jesus. Ob Gott mich hört oder auf die anderen dort sieht, weiß ich nicht im Sinne von „Wissen mit dem Kopf“. Aber wenn Jesus unsere Bitte um integriertes Leben in Gottes Ohr ist, dann weiß ich es wieder – im Herzen.
Und ich ahne: Wenn wir zur „Normalität“, auch zur kirchlichen Normalität zurückkehren, darf es nicht so weitergehen wie bisher. Wir werden auf allen Ebenen „integrativ“ agieren müssen.
Dafür sei Gott, der uns alle haben will, mit uns. Und als Begleitmusik zu diesem Psalm höre ich die vielen Beispiele, wie Menschen es nun schaffen, Solidarität als Grundprinzip unserer Welt, unserer Freiheit, unserer Demokratie neu zu entdecken mit wunderbaren Aktionen und jetzt schon dadurch dafür sorgen, dass wir ein Stück getroster den Situationen ins Auge sehen können, wo uns „das Wasser bis zum Hals steht“. Und ich denke da nicht nur, aber auch an unser (Über-) Leben auf diesem Globus.
„Gott, nach deiner großen Güte, erhöre uns mit deiner treuen Hilfe!“

Der Grund aller Welten und die Weltepidemie Covid 19: (K)eine (Straf-) Aktion??? Gedanken zum Sonntag Judika „ Richte mich, Gott, nach deiner Gerechtigkeit“

Vorweg gesagt: was wir jetzt erleben, ist ein Naturereignis ist ein Naturereignis ist ein Naturereignis.

Trotzdem geistern ausgesprochen oder unausgesprochen insgeheim die Idee: Gott könnte doch, weil die Menschen…

Könnte vielleicht.

Ich frage zurück bei der biblischen Überlieferung.

Da wird die Sintflutgeschichte als globale Katastrophe erzählt.

Eine Geschichte (!!!) vom Schwur Gottes: Mein Lebensbund gilt. Nie wieder, solange die Erde sich dreht.

Übrigens geht es bei der Geschichte um die Frage: Was, wenn Gott wieder das ursprüngliche lebensfeindliche Chaos herrschen lässt, also seine Schöpfung auf den Nullpunkt resettet?

Tut er aber nicht. Schon gar nicht wegen der Menschen. Die sind nun mal, wie sie sind: Wunderbar geliebt und teuflisch schlecht drauf. 

Also sollte, wenn wir die Bibel ernst nehmen, in unserem Nachdenken über Gott und die Welt kein Platz sein für die Idee, mit Covod 19 wolle Gott die Menschen zu etwas zwingen, gar strafen.

In der Bibel finden sich, oft in den Psalmen, Aussagen, Gott möge sogenannte Sünder und Frevler strafen und Feinde des Gottes Volkes vernichte – also die Gemeinschaft der Gerechten vor weiterem Unheil bewahren. Dabei geht es durchaus für uns abschreckend handfest zu, handgreiflich massiv.

Am Bekanntesten sind wohl die 10 Ägyptischen Plagen, darunter auch Seuchen. Doch die sind nicht global, sondern gezielt. Und der Zusammenhang muss gesehen werden: Ägypten ist ein Bild für all das, was Gottes Volk knechtet und behindert, einander und Gott gerecht zu leben. Somit sind die Plagen ein Bild für das, womit Unfreiheit und Gewalt etc. beendet wird. 

Den 10 Plagen stehen dann die 10 Gebote gegenüber, und darauf kommt es an: Letztlich schickt Gott keine Plagen, sondern seine Weisheit: Wie werden Menschen Gott und einander gerecht?

Im Gefolge biblischer Erzählung, die sich über mehrere biblische Bücher und Generationen hinzieht, wird die Vorstellung von einem ANDERE, gar GLOBAL strafenden Gott abgelöst von der Vorstellung von einem Gott, der zum Zeichen seiner Liebe und Weisheit ein Volk mit seinen Weisungen begabt.

Also: Auf andere zeigen und sagen: Das habt ihr nun davon: Gilt nicht.

Dennoch wagten nach der politischen Katastrophe – Israel und Judaverschwanden von der Landkarte, aufgerieben im Streit zwischen den damaligen Großmächten – zuerst einzelne und dann immer mehr im Volk folgenden Gedanken:

Was wäre, wenn wir selbst schuld an unserem Schicksal sind?

Wenn dahinter ein Gott aller Welten steht, der uns damit ein Zeichen gesetzt hat, wie verkehrt und gottlos wir gelebt haben?

Wenn Gott dahinter steht – dann dazu, um uns zurecht zu richten. Dann sind wir nicht blindwütigem Schicksal ausgeliefert, dann haben wir eine Adresse, an die wir uns wenden können, selbstehrlich und zugleich vertrauensvoll.

Ziel ist es, umzukehren zu einer Gott und den Menschen gerechten Lebensweise: Liebe Gott mit allem, was du bist und deinen Nächsten wie dich selbst. Diese Zusammenfassung aller zukunftdienlichenGebote verdankt sich jener Zeit.

Schlom ben Chorin (ein Jude) hat es um 1950 so formuliert, und es wurde ein Lied in unserem evangelischen Gesangbuch (Nr. 237):

1. Und suchst du meine Sünde,
flieh ich von dir zu dir,
Ursprung, in den ich münde,
du fern und nah bei mir.

2. Wie ich mich wend und drehe,
geh ich von dir zu dir;
die Ferne und die Nähe
sind aufgehoben hier.

3. Von dir zu dir mein Schreiten,
mein Weg und meine Ruh,
Gericht und Gnad, die beiden
bist du – und immer du.

Hinter Menschengeschichte Gott suchen und aufsuchen – das ist kein Finger auf andere, sondern ein wahrhaft kreativer Akt eines Menschen für sich persönlich und im Dialog mit anderen, mit Glaubensgenossen, mit Volksgenossen vielleicht für eine Gruppe.

Also wäre für mich die Frage:

Was lehrt uns diese Zeit? Und hilft uns, Gottes Willen zum Leben neu wahrzunehmen, von verkehrten Lebensstilen umzukehren, neu zu lernen, was wirklich Zukunft in sich trägt? Das frage ich mich persönlich und dann natürlich möchte ich auch gerne mit anderen darüber sprechen. Aber nicht belehrend, sondern fragend, hörend, lernend.

Und hoffe: Da ist dann Gott mit dabei von der Partie. Also da, wo in diesen Tagen neu entdeckt wird, wie Solidarität aller mit allen (!!!) die Grundlage für Demokratie, Freiheit, Frieden und damit für die unbedingte Menschenwürde jedes einzelnen sind. 

Diese Solidarität auch mit der ganzen Schöpfung werden wir noch dringend brauchen, denn diese Welt soll nicht untergehen, sondern um Gottes willen zu gutem Ziel kommen.

Da sind wir also immer neu gefragt.

Fazit: Auch hier hat ein Virus als gottgeschickt, gar als Strafe, keinen Platz. Es bleibt ein Naturereignis.

Und schließlich:

Jesus heilte einmal einen von Geburt an Lahmen. Dem war unterstellt worden, seine Eltern wären große Sünder gewesen.

Jesus lehnt diese Vorstellung radikal ab. Dann sagt er etwas merkwürdiges: Der Mensch soll heil werden, damit Gottes Herrlichkeit auf Erden aufscheine.

Der Blick Jesu geht völlig in andere Richtung: Überall, wo etwas heil wird, werden Zeichen gesetzt, was der ganzen Schöpfung blühen soll: endlich gut sein. Endlich in Frieden sein. Endlich gerecht. Die Johannesapokalpyse beschreibt das drastisch: alles alte, teuflisch Dunkle vergeht, wie neugeboren: Lebenswelt und Gott mitten drin. Das ganze so dramatisch wie die Totalverwandlung einer Raupe in einen Schmetterling (das ist mein Bild).

D.h., nicht eine Seuche ist gesandt, schon gar nicht als Strafe, die dann auch Unschuldige trifft, sondern wir sind gottgesandt, um zu helfen und einander beizustehen, um der Kraft zur Heilung unter uns Raum zu geben und – auch das, um klagend und trauernd und zugleich hoffend Gestorbene in Menschenwürde zu verabschieden.

Was die Idee einer Seuche oder eines anderen Ereignisses als „Strafe“ oder Tat Gottes endgültig verbietet: 

Jesu Kreuz.

Seit Jesu Kreuz denken wir mehr oder weniger überzeugend nach, wie man dieses Geheimnis, diesen Grund einer endgültigen neuen Liebesbeziehung zwischen Gott und aller Welt am Besten in Worte fassen kann.

Ein Versuch ist:

Jesus versöhnt damit Gott mit uns. Alle „Sünde“ ist damit vergeben.

D.h. im Klartext: Es kann, wenn wir Karfreitag (beglaubigt durch Ostern) ernst nehmen, keine Rede mehr davon sein, dass Gott auf diese Weise agiert, gar straft, wen auch immer.

Ich kann Gott klagen, ich kann ihn fragen, ich kann auf ihn hoffen – und kann mich ermutigen lassen, soviel es an mir liegt und wie ich kann, Betroffenen beizustehen. Oder zulassen, dass andere mir Beistand leisten (das ist ja bisweilen auch schwer).

Und so bleibt eine Pandemie ein Naturereignis ein Naturereignis ein Naturereignis und , wie ich glaube (auch wenn ich mit der Jahreslosung oft rufe: Ich glaube, hilf meinem Unglauben): Gott richtet uns auf und her zu Mitmenschlichkeit. Immer neu. Damit wir solche schweren Zeiten besser bestehen.

Damit ein Naturereignis Raum gibt für heilere Zukunft.

Zuletzt noch ein Gedanke:

Wenn Gott diese Welt ganz und gar liebt, so dass wir sie als Schöpfung wahrnehmen, ist auch ein Virus ein Geschöpf.
Wie alles andere auch.

Und darüber muss ich jetzt erst noch ganz viel nachdenken.

Gott befohlen
Ihr
Pfr. Neugber

Negativ und Positiv, Virus und Anti-Virus

Ältere (so wie ich) erinnern sich noch gut. Da gab es Zeiten, da wurde für Bildaufnahmen Zelluloid verwendet. Das nannte man Film. Und zunächst entstand nach der Aufnahme und der Fixierung ein Negativ. D.h., alles war umgekehrt zu sehen: Schwarz war weiß und umgekehrt, und nach der Erfindung des Farbfilmes sah man auch die Farben „spiegelverkehrt“. Erst nach einem weiteren Schritt wurde daraus ein Positiv, man sah ein Bild, einen Film, wie gewohnt. Also so z.B.:

Negativ: