Gedanken in Zeiten der Pandemie

Liebe Leserin, lieber Leser,

besondere Zeiten erzeugen auch besondere Gedanken. Die Zeit der Corona-Pandemie ist sicher eine besondere Zeit.

Ich habe daher, natürlich in Abstimmung mit Pfarrer Michael Neugber, den Predigtblog um kürzere Beiträge erweitert, die sicher eine Andacht wert wären, die aber wahrscheinlich nie in die Öffentlichkeit kämen, denn auch Gottesdienste sind ja derzeit verboten.

Lesen Sie also in einer stillen Minute einen Beitrag dieser neuen Kategorie „Gedanken in Zeiten der Pandemie“ (M. Neugber hatte übrigens auch alternativ den Titel „Gedanken aus einer leeren Kirche“ vorgeschlagen), und nehmen Sie sich Zeit, dem Inhalt nachzuspüren. 

Mildtätig schenkt der Gerechte

„Mildtätig schenkt der Gerechte“ – Gedanken zu einem Motiv von Psalm 37 und einer Seligpreisung Jesu: „Selig sind die Barmherzigen“

An einer Stelle heißt es sogar: Barmherzigkeit reinigt von jeder Sünde (Tob.8,13)

Nach einer Phase falsch verstandener Freiheit (Ich darf alles tun, was mir nützt und mir Spaß macht) erweckt eine Pandemie bei vielen, darunter viele, viele junge Menschen solidarisches Handeln. Gegenüber denen, die zuhause bleiben müssen: wir kaufen für dich ein. Zum Beispiel.

Solidarität als ein Kennzeichen von Freiheit ist eine gute Umschreibung von Barmherzigkeit: Ich tue etwas umsonst für andere, auch wenn ich dafür keinen Lohn für mich erwarten darf. Der Lohn ist: Ich weiß, wofür ich jetzt wenigstens gut bin. Das nennt man auch Lebenssinn.

Ich sehe in den Nachrichten nun auch Warteschlangen vor Behörden: Menschen sind in ihrer Existenz bedroht, etwa Taxifahrer, Gastwirte, Künstler… Ein- und damit Auskommen bricht weg.

Sie brauchen Unterstützung, handfest, monetär.

Aus unseren Steuermitteln, gar, wenn‘s soweit kommt, mit unseren Schulden, die der Staat aufnimmt. Aufnehmen muss.

Reicht da noch unsere Solidarität? Begreifen wir, dass auch überhaupt unser Miteinander nur funktioniert, wenn wir unser Bestes schenken, also auch unser Geld, damit anderen geholfen wird? Steuern sind nicht nur Zwangsabgaben, es ist ein rechtlich geordneter Solidaritätsbeitrag. DARUM ist Steuerhinterziehung auch so gefährlich, weil er genau das untergräbt.

Irgendwann dreht sich (hoffentlich) nicht mehr alles um dieses Virus (wenn auch klar ist: Wir werden lernen müssen, dass uns noch andere Viren zu schaffen machen werden). Wir müssen wieder den Rest unserer Welt in den Blick nehmen, etwa die Kriegsgebiete, unsere Umwelt – ist uns klar, dass wir nicht umsonst dieser Tage wieder gelernt haben, wozu Solidarität eines jeden mit jedem so notwendig ist für das gemeinsame Leben auf diesem Planeten? Und dass Solidarität beinhaltet: Ich verzichte freiwillig auf so manches, wo ich meine, es täte mir (kurzfristig) gut. Ich zahle gerne Steuern – und engagiere mich deswegen, so gut es geht, für diese Gesellschaft, also politisch.

Sozusagen von Montags bis Sonntagsfor future“.

Mal sehen…

Tempelreinigung und Fake News – Gedanken aus einer leeren Kirche

Unser Herr und Meister wurde dann doch gewalttätig. Da, wo er den weltlich-religiösen Handel und Wandel vor dem Jerusalemer Tempel ein Ende setzte. Wenigstens für den Moment.

Der ganze Bereich sei ein Ort des Gebetes.

Es muss Zeiten und Orte geben, die ganz frei sind für die Zwiesprache mit Gott. Es geht um Wahrheit. Wer oder was macht mein Leben wahrhaftig, wie finde ich einen Sinn, der meinem Leben und dieser Welt überhaupt Tiefe und Würde gibt?

Die übliche Geschäftigkeit bringt mit sich nicht nur Handel und Wandel, sondern auch Klatsch und Gerücht, Lug und Trug.

Dann definiere ich mich z.B. über angeblich gesunde Hautbräune, die ich wohlfeil kaufen kann. Oder über Likes, die ich erhalte, wenn ich ins Internet mich ergieße.

Und damit bin ich beim Thema, auch dieser Tage:

Viele beten das Internet an und widmen sich in fast religiösem Eifer, dort möglichst viel unterwegs und vertreten zu sein, auf der Suche – ja, nach was? Und nun werden wieder viele Gerüchte verbreitet in Bezug auf die Pandemie, einige haben sogar die Who erreicht, etwa der Zusammenhang von Ibuprofen und der Schwere möglicher Erkrankung.

Wobei man doch bei jedwedem Medikament zu Risiken und Nebenwirkungen IMMER der Arzt oder Apotheker fragen sollte.

Als das WWW gegründet wurde, diente es dem freien Austausch der Wahrheit. Forscher wollten auf dieser Plattform über Grenzen hinweg ihre Forschungen einander mitteilen und diskutieren – auf der Suche nach Wahrheit.

Inzwischen darf ich gefühlt 99,9% dessen, was da auf dem Bildschirm erscheint, nicht mehr trauen.

Ach, käme einer, der diesen ganzen Müll, wenigstens für diese Zeit, rausschmeißt.

Aber das wäre vielleicht diktatorisch, Zensur.

Bleibt mir also nichts anderes übrig, gerade im Blick auf Jesu Tempelreinigung, sorgsam nach Orten Ausschau zu halten, wo vertrauenswürdige Informationen ohne jeglichen Verschwörungs- und Hassgehalt dargeboten werden.

Ob sich unser Herr und Meister hinter den sachlichen Besonnenen verbirgt, etwa im Robert-Koch-Institut, oder in Marburg, ja, sogar hinter Politikern, die sehr umsichtig agieren?

Gerade in diesen Zeiten lerne ich neu, wo was zu lesen lohnt und was ich getrost gar nicht erst anzuklicken brauche.

Und ansonsten habe ich Zeit, viel zeit und Ruhe. Z.B. für ein Gebet, für Gedanken, die mir beim Rezitieren von Psalmen kommen oder bei guten Gedanken auf einem Kalenderblatt.

Z.B. „Ich will der Wahrheit ein Zeuge, den Mitmenschen ein Bruder sein! (Adolf Kolping, 1813-1865).