Auf dem Weg zu Palmsonntag 2020 – Gedankensplitter zu den biblischen Texten III

Jedem Sonntag sind ein Psalm, ein Abschnitt aus den Evangelien als Evangelium zum Sonntag, ein Abschnitt aus dem Ersten Testament (früher „Altes Testament“), ein Abschnitt aus einem der neutestamentlichen Briefe und noch drei weitere Bibeltexte zugeordnet.

Ein Griff, und die Sucherei geht los. Ich finde sie nicht wieder. Aber ich habe die Karikatur deutlich vor Augen:
Ein Pfarrer steht vor dem Altar. Über dem Altar hängt ein Kreuz. Eigentlich ein Kruzifix (also eine Darstellung des Gekreuzigten). Doch das ist leer. Man sieht noch die Umrisse, die Löcher von den Nägeln. Aber er selbst ist verschwunden.
Und auf dem Altar liegt ein Abschiedsbrief.
Kirchenkritik? Jesus tritt aus dieser Kirche aus?
Oder Verheißung?
„Jesus geht voran auf der Lebensbahn“…
Was steht in dem Brief?
Vielleicht:
Es nutzt nichts, wenn ich als Leidender hier festhänge – ich muss dahin, wo ich gebraucht werde. Zu Leidenden, zu Sterbenden, zu den in Geflüchteten-Lagern eingepferchten, zu denen, die in elendigen Hütten hausen, zu Obdachlosen unter die Brücke.
Ich muss los zu denen, die körperlich-seelisch am Ende sind, weil sie in den Krankenhäusern ankämpfen nicht nur gegen den Tod, sondern auch gegen ein krank gespartes und gewirtschaftetes Gesundheitswesen.
Ich muss los zu denen, die ihren Dienst für die Allgemeinheit tun und dafür angefeindet werden.
Ich muss auch los zu den politisch Verantwortlichen, die zusammengebrochen sind.
Meine Bitte:
Folgt mir nach.
Denkt an mich, wo ich gerade bin.
Euer Jesus, ein Sklave der Liebe Gottes.

Dieses Bild stand mir vor innerem Auge, als ich dieser Woche erneut der Lesung aus den neutestamentlichen Briefen für Palmsonntag begegnete,
ein Abschnitt aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Philippi, wobei Paulus hier eines der ersten christlichen Glaubensbekenntnisse zitiert, eher ein Glaubenshymnus:

Phil 2,5-11
5 Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:
6 Er, der in göttlicher Gestalt war,
hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,
7 sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an,
ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
8 Er erniedrigte sich selbst
und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
9 Darum hat ihn auch Gott erhöht
und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist,
10 dass in dem Namen Jesu
sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,
11 und alle Zungen bekennen sollen,
dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Ich stelle mir vor: Diejenigen, die Jesus (wie auch immer) unmittelbar als heilsam (leibhaftig, seelisch, glaubensmäßig) erlebten, erlebten durch ihn Gott gegenwärtig. Und damit Frieden, Versöhnung, als Hoffnung: alles wird nun gut. Sie erlebten Befreiung vor der oft insgeheimen ANGST vor dem Tod und damit eine Lebenshoffnung über den Tod hinaus. Also Geborgenheit. Vertrauen. Und die Freiheit, sogar Gegner zu lieben. D.h., diese lieber zu segnen als zu verteufeln.
Ich stelle mir vor, was sie da erlebten, dafür suchten sie Worte, Bilder, um es zu beschreiben.
Und sie drückten es auch so aus: Jesus ist ein Teil Gottes selbst. Er komtm von Gott. Da aber Gott unteilbar ist, schenkt sich Gott mit Jesus selbst. ER ist zur Welt gekommen, weil er sie so sehr liebt. In Jesus begegnet Gottes ganze Mitmenschlichkeit. Und die reicht bis dahin, wo wir letzte Gottlosigkeit erleben: Im Tod, in der Qual, im letzten Schrei nach Leben und nach Erlösung.
„War gehorsam bis in den Tod“ – d.h., im Grunde hörte Gott auf sich selbst, auf sein „Herz“, das für uns schlägt (und, wie ich aus heutiger Einsicht vermute: Auch schlägt für jedwede Kreatur).
Darum wird Jesu Tod zu seiner „Erhöhung“: Im Tod das Leben. Der Tod kein Ende, sondern eine Wende. Und Jesus erhält den Titel, der in der Bibel Gott vorbehalten ist und den die römischen Kaiser für sich reklamierten: „HERR“.
Und der Herr ist der, der wirklich anderen Menschen zu dienen versteht.
Damit wird eine Glaubensaussage auch zu einer Kampfansage gegen menschliche Willkür, Anmaßung, unmenschliche Machtausübung.

Gott sei Dank!
So daher gesagt – doch es ist mehr. Es wird ein jubelndes Lied vom ganzen Leben. Ein Lied, das sogar die für uns Gestorbenen anstimmen.

Gott sei Dank!
Ich höre es aus guten Werbesprüchen, von den öffentlich Rechtlichen,
und von vielen anderen:
Wie vielen Menschen gedankt wird, die für uns ihre Haut zu Markte tragen, wie alte Redewendung sagt. Die einfach da sind, wo sie jetzt gebraucht werden.
Und ich würde gerne auch Gott sei Dank sagen für einsichtige Politiker,
die jetzt noch selbstherrlich uneinsichtig „Ihr Land First“ und damit eigentlich „Sie selbst First“ sagen und nicht verstehen, dass gerade jetzt (eigentlich schon überfällig) auch für die Länder gilt: Entweder wir alle gemeinsam oder gar nicht.
Ich sage so vielen insgeheim Dank und damit Gott sei Dank.
Auch ein Bekenntnis, das Jesus der Herr ist – der, der dient in den vielen Dienenden.
Warum muss ich jetzt an das Lied „Ich bete an die Macht der Liebe“ denken?