Morgenspaziergangsgedanken am Karsamstag 2020

„Höllenfahrt“ Christi, Johannes 14,6 und ein exclusivistischens Verständnis des Christentums aufgrund der Lektüre von Miroslav wolf: Zusammen Wachsen. Globalisierung braucht Religion. Gütersloh 2017

Wolf reflektiert u.a., inwiefern ein gemäßigtes exklusivistisches Verständnis (das ca. 60% aller Christen weltweit haben) nicht aus sich heraus eine pluralistische Neutralität demokratischer Regierungsformen erfordern.
Exklusivistisch: Das Christentum ist (wie alle Weltreligionen für sich) überzeugt, die wahre Weltdeutung anzubieten und zu befolgen (so mal ganz kurz und verkürzt).
Biblische Belegstelle wäre u.a. Jesu Wort aus dem Johannesevangelium 14,6:
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“
Das kann man radikal interpretieren, wie z.B. jene, die den sogenannten unechten Markusschluss verfassten (Mk.16, 9 – 20, ein Konglomerat aus den anderen Evangelienschlüssen mit Ergänzungen aus späteren Traditionen). Da heißt es in V.16: wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.
Wer dermaßen radikal denkt: Nur glaubende Christen kommen in den Himmel und leben wahrhaft recht auf Erden, wird sich schwer tun mit der Pluralität von Weltanschauungen. Und im Grunde eine christliche Theokratie bevorzugen. Also Antidemokratisch eingestellt sein. Denn alle anderen sind ja des Teufels und gehen zum Teufel und bringen teuflisches Unheil, und damit wäre Covid 19, wenn nicht Strafe Gottes, so doch satanisches Wirken, das alle befällt, die des Teufels sind und so weiter…
Weniger radikal gedacht, etwa wie Paulus im Römerbrief (der so auch das Verhältnis Christentum – Judentum bedenkt): Am Ende der Zeiten stimmt der Satz wieder: Alle werden Jesus als Christus anerkennen und damit Gott als wirklichen Herrn des Lebens. Bis dahin haben Christen schlicht vorzuleben, wovon sie überzeugt sind und so dafür zu werben.
Pls. lebte übrigens auch in einer sehr pluralistischen Umgebung.

Und schließlich hilft: Genau lesen.
„Niemand kommt zu Gott denn durch mich“: Jesus sagt hier NICHT: Nur wer mir glaubt, wird Gott finden und damit das Leben.
Er beschreibt seine Rolle – auch unabhängig von ihm Glaubenden.

Der Karsamstag reflektiert in der Tradition: Was machte Jesus eigentlich zwischen Kreuzestod und Auferweckung?
Er fuhr zur Hölle, um die Fesseln des Todes für alle Menschen zu sprengen („Adam“ steht für „Menschheit“).
D.h., durch ihn finden alle ins Leben – ob nun im Leben schon Christen oder anderer Weltsicht. Auch Philosophen wie Sokrates etc. gehören dazu!
So diese Tradition.

Dann die andere Tradition, ein Zentrum der Theologie: Jesus ist nicht einfach Mensch, er ist auch Gott. Der Gott, der „mit uns existiert“ – der Mitseiende. Auch da, wo scheinbar Gottlosigkeit ist – in Jesu Verlassenheit am Kreuz, im Tod und überhaupt.
Dann würde Jesu Satz letzten Endes bedeuten:
Niemand findet zu Gott außer durch Gott. Gott selbst muss sich nicht nur suchen, sondern auch finden lassen. Wie auch immer, wann auch immer. Insofern bedeuten „Weg, Wahrheit, Leben“ das, was der Evangelist Matthäus in Jesu Rede vom Endgereicht reflektiert „Was ihr einem von den Ärmsten getan habt, das habt ihr mir getan“ – Es gibt also einen Weg, zu Gott zu finden, der geht über den Umweg der nicht berechnenden Mitmenschlichkeit und der Freiheit, Verantwortung für das Wohl gerade der schwächsten Glieder in einer Gesellschaft / Menschheit zu übernehmen. Und zwar, weil es Menschen sind (und inzwischen kommt auch der Rest der Kreatur in den Blick).

Nehme ich diese Fäden auf und blicke auf Joh.14,6: Dann heißt das: Gott findet sich exklusiv in Jesus wieder, aber ebenso über all da, wo Menschen aus ihrer Weltanschauung heraus um das Wohl aller besorgt sind. Wer also wie zu Gott findet, ist Chefsache.
Wir als Christen sind also keine besseren Menschen – wir wissen lediglich für uns (oder sollten es wissen), warum wir uns an Jesus orientieren bzw. ihm in dieser Welt nachfolgen.
Insofern müssen wir damit rechnen, dass er uns als Weg, Wahrheit, Leben auch in anderen begegnet. Und also ist es sogar gut, wenn es Pluralität von Weltanschauungen gibt und es ist aus unserer Überzeugung heraus sogar geboten, dass ein Land, eine Staatengemeinschaft, am besten alle Welt weltanschaulich neutral demokratisch diese Pluralität pflegt.
Und wir haben da alle Möglichkeiten, öffentlich zu dem zu stehen, warum wir etwas tun, wofür wir eintreten, wofür wir werben (also z.B. dafür, dass Leute, die möglicherweise zu einer Risikogruppe gehören, nicht stigmatisiert werden, sondern im Gegenteil besonders achtsam zu würdigende Personen sind).

D.h., Gottes Exklusivität in Jesus rechtfertigt meine Überzeugung, mit meiner Zugehörigkeit zum Christentum auf der richtigen Fährte zu sein – und zugleich bin ich das nur, weil andere Weltanschauungen (aus ihrer Sicht sowieso) auch auf der richtigen Fährte sind – denn es ist letztlich Gottes Weg. Und wer bin, ich dass ich Gott seinen Weg (auch als Weg des Auferstanden in der Welt, vermutlich ein weg inmitten der Höllen dieser Erde) vorschreiben könnte. Kann froh sein, dass er mich Jesus nachfolgen lässt (bei aller Unvollkommenheit).

Soweit dieser Gedankengang, alles andere als fertig …